WOODEN MARKS

Hochhäuser aus Holz sind international das Architekturthema der Stunde. Jetzt wird auch in Wiesbaden über den „H2O-Tower“ nachgedacht.

Die Faszination, mit Holz hoch oder sogar sehr hoch zu bauen, manifestiert sich gerade in vielen Bauprojekten: Ob Roots in Hamburg, HoHo in Wien, Plyscraper W350 in Tokio, River Beech Tower in Chicago, Canada Earth Tower in Vancouver, Dutch Mountains in Eindhoven, Rocket in Winterthur oder Mjøstårnet im norwegischen Brumunddal. Manches ist noch in Planung oder im Konzeptstadium, doch ist klar: Der Holzbau wird immer wichtiger. Dabei geht es nicht nur um die Nachhaltigkeit des Baustoffs im Vergleich zu Beton oder auch positive statische Aspekte: Was die Architekturbüros begeistert, sind auch die genuinen Möglichkeiten der Gestaltung.

ROOTS, HAMBURG

Das „Roots“ in Hamburg, geplant von Störmer, Murphy and Partners, soll 65 Meter hoch werden – das höchste Holzhochhaus Deutschlands. Das HoHo Wien ist mit einem Holzanteil von 75 Prozent ein Holz-Hybrid-Hochhaus: das nach dem Projekt in Brumunddal derzeit zweitgrößte Holzhochhaus weltweit. Bereits 2020 sind in Wien die ersten Mieter eingezogen. In Japan will man deutlich höher hinaus. Plyscraper W350 in Tokio soll, das deutet schon der Name an, 350 Meter hoch werden. 2041 könnte das 70 Etagen-Projekt des Büros Nikken Sekkei fertig sein. In Chicago hofft man, dass der 80-stöckige River Beech Tower 200 Meter hoch in den Himmel wachsen wird. Und in Winterthur arbeitet man emsig am Projekt Rocket, wo bis 2026 das zu diesem Zeitpunkt dann weltweit höchste Wohngebäude aus Holz entsteht.

DURABLE WOOD

Bei allen diesen Entwürfen geht es natürlich um das Klima und die Nachhaltigkeit, um Energieeffizienz, denn Holz ist ein nachwachsender Rohstoff der als Kohlenstoffspeicher wirkt. Dazu kommt: Holz hat bei etwa gleicher statischer Leistung ein markant geringeres Gewicht als Beton. Und Holz ist dauerhaft: Die Geschichte der Baukunst kennt mit den norwegischen Stabkirchen Holz-Architekturen, die 1.000 Jahre alt sind. Freilich: Noch ist das Bauen mit Holz nicht günstiger als das Bauen mit Beton – gerade in Zeiten enormer Preissteigerungen beim Rohstoff selbst. Aber die Zeiten ändern sich: Denn der Holzbau wird immer effizienter. Natürlich aber macht das Bauen mit Holz nur Sinn, wenn das verwendete Baumaterial aus nachhaltiger Forstwirtschaft und aus der Region stammt.

Und Holz wird immer urbaner: Das Bauen mit Holz, ehemals eine ländliche Bau-Idee, hat längst die Metropolen erreicht. Auch im Rhein-Main-Gebiet gibt es solche im Bau befindlichen Projekte. In Frankfurt der Holzhybridbau „Timber Pioneer“ im Europaviertel, geplant von dem Berliner Büro Eike Becker Architekten, der noch in diesem Jahr vollendet sein soll. Der achtgeschossige Bau wird das erste Frankfurter Bürohaus in Holzhybridbauweise sein.

H2O-TOWER, WIESBADEN

Auch in der hessischen Landeshauptstadt denkt man derzeit über ein neues Holzbauprojekt nach. Die 1992 gegründete Designagentur 3deluxe arbeitet seit Jahren erfolgreich im Bereich der Architektur und Innenarchitektur und hat mit Projekten wie dem Cocoon Club in Frankfurt am Main, der Firmenzentrale von Kaffee Partner, dem Redesign der Frankfurter Zeilgalerie, dem Leonardo glass cube in Bad Driburg und vielen temporären Bauten gezeigt, dass sie Architektur dem Wesen nach als transdisziplinär begreift.In der Vergangenheit war es ihre spektakuläre, organisch-fließende Formensprache, die Nähe zur Popkultur, eine bisher kaum bekannte Vermischung des Realen und Virtuellen und die Einbeziehung digitaler Medien, welche die Auftraggeber, Nutzer und auch die Fachwelt faszinierten, doch zeigt sich das Büro mit seiner Entwicklungsstudie für ein Holzhochhaus für die SEG GmbH von einer etwas anderen Seite: Auf einem lange Jahre verwaisten Industriegelände in dem zu Wiesbaden gehörenden Stadtteil Amöneburg soll, direkt am Rhein, ein grünes Büro-Holz-Hochhaus mit offenen Büroflächen entstehen.

15 FLOORS

15 Stockwerke könnte der Büroturm nach der Studie von 3deluxe haben und neben dem 1962 erbauten, denkmalgeschützten Hochhaus des Architekten Ernst Neufert eine gute Figur machen. 3deluxe gelingt das im Entwurf, doch auf eine Weise, die nicht eben typisch ist für das Büro: Keineswegs organisch, sondern industriell gerastert, mit großen Fensterflächen. Ein modulares System, das klimatische Erwägungen streng im Blick hat: Natürlich geht es auch hier darum, CO2-Emissionen möglichst zu reduzieren. Dieter Brell, Kreativdirektor von 3deluxe, hat es so formuliert: „Die massiven globalen Herausforderungen, mit denen wir derzeit konfrontiert sind, spiegeln sich alle in irgendeiner Form in Architektur und Stadtplanung wider.“

PET FRIENDLY

Photovoltaik findet sich überall am geplanten Bau, vor allem an der abgeschrägten Fassade, die nach Süden ausgerichtet ist. Die Ausstattung mit Photovoltaik-Modulen wird hier zum allumfassenden Gestaltungsprinzip. Auch die Verschattungs-Elemente werden mit PV-Modulen besetzt. Begrünte Terrassen, Geothermie, Nutzung des Flusswassers als Wärmetauscher, umweltfreundliche Mobilität, Car- und Bike-Sharing, Fahrradwerkstatt, Lastenräder, ein Gemüsegarten auf dem Dach – all das ist Teil des Konzepts. Sogar Schutzräume und Nistplätze für Vögel und Insekten soll es hier geben. Das Hochhaus versteht sich als tierfreundlich. Sieht so die grüne Zukunft aus?