Endlich wieder Buchmesse! Und Gastland Spanien präsentiert unter dem Motto „Sprühende Kreativität“ Entwicklungen und Strömungen in der aktuellen Literatur und Kreativindustrie. Unter den Stars aus Spanien ist María Hesse, eine der erfolgreichsten Illustratorinnen ihres Landes. THE FRANKFURTER-Autorin Dr. Jutta Failing interviewte vorab die außergewöhnliche Zeichnerin.
Lust – Eine Erkundung der weiblichen Sexualität“, heißt ihr aktuelles illustriertes Buch, ihr bislang intimstes. Mariá Hesse schildert darin ihr eigenes sexuelles Erwachen, ein steiniger Weg aus Schuld, Scham und Unwissen, den sie dank weiblicher Vorbilder meisterte: Frauen, die die Macht der Sinnlichkeit erkundeten und sich den Vorurteilen ihrer Zeit widersetzten: Maria Magdalena, Anaïs Nin oder Hollywood-Star Hedy Lamarr, um nur ein paar zu nennen. „Entstanden ist eine Karte der weiblichen Lust“, wirbt ihr deutscher Verlag. Tatsächlich ist es ein verschlungener „Höhepunkt“, witzig, klug, bezaubernd und für Frauen wie Männer ein köstlicher Apfel aus dem Paradies.
Der Stil der 1982 in Huelva geborenen Illustratorin ist unverwechselbar, unverblümt, aber nie vulgär. Ihre Comic-Biografie „Frida Kahlo“ brachte den großen Durchbruch und wurde in dreizehn Sprachen übersetzt. Sie studierte zunächst Sonderpädagogik, entschied sich dann aber ganz für das Zeichnen.
María, Frida Kahlo, Marilyn Monroe, David Bowie und nun prominente Frauen, die für selbstbestimmte Sexualität stehen. Was fasziniert Sie an diesen Persönlichkeiten?
“Wenn es um Biografien geht, muss es etwas geben, was mich mit ihnen verbindet. Sie müssen nicht unbedingt Vorbilder sein. Frida war ein Impuls für mich, ihre Malerei hatte etwas, das mich anzog, und ihr Leben erschien mir faszinierend. Ich hatte noch kein feministisches Bewusstsein entwickelt, als das Buch entstand, sonst wäre es wohl anders geworden, viel mehr wie das Buch über Marilyn. Für letztere wollte ich Norma Jeane und dem Bild, das wir von ihr haben, gerechter werden. Aber für beide Frauen gibt es etwas, das ich nicht erklären kann, es ist ein Gefühl, das ich tief in mir trage. Bowie war komplizierter, weil ich von seiner Arbeit fasziniert war, aber keine persönliche oder emotionale Verbindung hatte, weshalb Fran Ruiz das Schreiben und den Text übernahm. Aber natürlich sind die drei Bücher meine persönliche Vision und Interpretation dieser Menschen.
Was ‘Lust’ angeht, so ist das Buch aus einer Rechtfertigung heraus entstanden. Aus dem Bedürfnis, den Kontext, in dem Frauen leben, zu analysieren und zu verstehen, um in der Lage zu sein, Räume der Freiheit zu besetzen, ohne die Schuld und den Druck, zu dem wir erzogen wurden und für den wir verurteilt werden.”
Ich habe keine Routine, denn mein tägliches Leben ist das reinste Chaos. María Hesse
Warum haben Sie den Nachnamen von Hermann Hesse übernommen?
„Das war als ich an der Universität war. Mein Lieblingswerk war ‚Demian‘. Ich las es in einem entscheidenden Moment meines Lebens, in einem Prozess der Veränderung, des Durchbruchs, von dem das Buch handelt. Damals habe ich nur sehr wenige Bücher von Frauen gelesen, weil ich nicht genügend Referenzen hatte, weil wir sie in der Schule nicht studiert haben. Hätte ich zu dieser Zeit mehr Frauen gelesen, hätte ich mich wohl für (Anne) Sexton oder (Anaïs) Nin entschieden!“
Was können Bilder besser erzählen als Texte?
„Für mich erzählen Bilder etwas, das von einem anderen Ort kommt und das ausdrückt, was man auf den ersten Blick nicht sehen kann. Aber genau so sehe ich es. Es gibt Schriftsteller:innen, die es schaffen, das mit Worten zu erzählen. Der Pinsel ist mein natürliches Medium, mit dem ich ausdrücken kann, was ich fühle.“
Wie gehen Sie mit “gescheiterten” Entwürfen um?
„Ich vernichte sie. Ich mag es nicht, wenn sie Platz wegnehmen, und ich halte es für eine Beleidigung, sie jemand anderem zu geben. Aber ich messe ihnen keine große Bedeutung bei, sie sind Teil des Prozesses.“
Beschreiben Sie uns Ihr Atelier.
„Mein Atelier ist mein Zufluchtsort. Es ist voll mit Zeichnungen, Pinseln und Bildern. Es gibt Pflanzen und viel Licht. Es ist fast eine Erweiterung meiner selbst. Ich habe keine Routine, denn mein tägliches Leben ist das reinste Chaos. Ich mache seit einem Jahr eine Therapie und habe für fast alles eine Lösung gefunden, außer für die Organisation meiner Arbeit! Ich schätze, es muss eine Ordnung in meiner Unordnung geben. Meine Psychologin sagt, es sei meine Intuition, die dafür sorgt, dass alles funktioniert. Ich habe beschlossen, ihr zu glauben, denn so habe ich mein ganzes Leben gelebt.“
In Ihren Arbeiten tauchen hier und da Katzen auf. Sie leben auch mit Katzen.
„Ich habe zwei Katzen und sie sind die schönsten Dinge auf der Welt. Leonora (die orangefarbene) ist superschlau und sehr abhängig von mir. Es gab eine Verbindung zwischen uns von der ersten Minute an. Sie versteht sich mit jedem. Patti ist das komplette Gegenteil. Sie ist sehr schlaksig und tollpatschig, aber das macht sie so liebenswert. Sie ist völlig unbezähmbar und sie liebt Leonora sehr. Und ich liebe die beiden. Ich denke, dass die Liebe zwischen Tieren und Menschen etwas sehr Reines ist, und ich kann Menschen nicht verstehen, die gemein zu ihnen sind.“