THE NEW NORMAL

Die Corona-Pandemie hat die Gastronomie in die Knie gezwungen. Das, was man weltweit zum "Neuen Normal" erklärte, wird das Konsumverhalten und damit das gastronomische Angebot nachhaltig prägen, ist unsere Food-Expertin Heike Katharina Klauer überzeugt. Auch in Frankfurt legten Gastronomen ideenreichen den Turbo ein.

SUSTAINABILITY

Astrid Schmidt hat sich getraut. Die Inhaberin von Gudrun eröffnete Ende April in der Gutleutstraße ihre dritte Filiale und damit ihr erstes Ladenlokal. Die beiden vorherigen Gudrun Standorte in Eschborn und Schöneck sind Food Trucks. Mitten in der Krise ihr erstes Restaurant. Ihr Erfolgsgeheimnis? "Qualität, Freundlichkeit, Atmosphäre und genug Wechselgeld", sagt sie sind alles, was sie benötigt. Dazu kommen eine große Portion Herzlichkeit, Authentizität und das nötige Know-how. Bei Gudrun gibt es Suppen und Eintöpfe aus aller Welt. Salate und Bowls folgen. Astrid Schmidt verkauft ihre Produkte ausschließlich in nachhaltigen Weckgläschen und verzichtet auf Plastik. Sie setzt dabei ein klares Statement für Zero Waste - also Müll erst gar nicht erst anfallen zu lassen.

Die Pandemie hat beim Verbraucher das Verhältnis zu Natur verändert und einen reflektierteren Umgang mit dem eigenen Ressourcenverbrauch geschaffen - Zero Waste-Konzepte kommen gut an. Auch Mario Lohninger setzt auf nachhaltige Verpackungen. Seit Ende Januar bietet er seine hochklassigen österreichischen Spezialisten, warm und verzehrfertig, zum Abholen an. Jeder Bestellung liegt aber auch eine Anleitung bei die erklärt, wie Wiener Schnitzel, Gulasch & Co. zu Hause aufgewärmt werden können. Alle Verpackungen sind aus Maisstärke oder Zuckerrohr und somit biologisch abbaubar, Flüssiges wird in Gläser abgefüllt.

Zero Waste also auch beim Catering. Ein globaler Trend. In New York betreibt die Oberon Group mit der Rhodora Wine Bar seit Ende 2019 die erste Zero Waste-Weinbar inklusive Catering in den USA. Aber auch in Berlin sind Jasmin und David Suchy bereits 2018 angetreten, mit dem Frea ihr Motto "Zero Waste. Full Taste." zu leben. Bislang - trotz Corona - mit Erfolg. Gerade erst haben Sie ein Buch zu dem Thema herausgebracht.

FLEXIBILITY

Homeoffice-Pakete zu verschicken, war ursprünglich nicht die Idee von Lukas und Philipp Güth. Die beiden Brüder hatten vor, Lieferpakete für Büros zu schnüren. Mit den Lockdowns schwenkten sie kurzfristig um. Unter dem Namen Wilson & Oskar packen sie nun "Business Care Pakete" für Homeoffice-Mitarbeiter. Meistens im Auftrag deren Chefs, die den Angestellten etwas Gutes tun möchten. Verschickt werden unter anderem Produkte aus eigener Herstellung, wie die Müslis, die Lukas und Philipp zusammenstellen. Das Besondere: Zur Verpflegung kommen Materialien für Remote Workshops, die im Homeoffice fehlen könnten. Veränderte Arbeitswelt - veränderte Lieferservices. Bei Bedarf übernehmen die beiden auch die komplette Organisation von Home-Konferenzen und Events. Dass sie auf der Suche nach Räumlichkeiten zufällig auch Cafébetreiber wurden, passt in das flexible Konzept. Sobald es möglich ist, wird ihr Café im Zentrum von Rödelheim für Gäste eröffnet.
Flexibilität bewies auch Jesse James-Betreiber Payam Mahourvand. Nach nur fünf Tagen Umbau, konnte er das To-go-Geschäft zu Beginn des ersten Lockdowns aus dem Küchenfester heraus eröffnen. Die Burger sind seitdem noch beliebter. Dankbar angenommen haben seine Kunden auch die sommerlichen Cocktails to-go sowie das Glühwein-Angebot zur Weihnachtszeit. "Wir haben letztes Jahr gleich zu Beginn des Lockdowns Lieferservice angeboten, in dem wir unsere privaten Nummern rausgegeben haben, damit die Gäste per WhatsApp bestellen konnten. Mit unseren eigenen Autos haben wir bis zu einem Umkreis von 20-25 Kilometern geliefert. Die Not hat uns erfinderisch gemacht" sagt Parasto Mahourvand, Schwester von Payam und Jesse James-Betriebsleiterin. "Wir haben noch nie so einen überragenden Support gespürt. Unsere Gäste schreiben uns bitte "gebt nicht auf, wir sehen uns bald". Dafür kämpfen wir. Und für unsere Mitarbeite, damit sie alle weiterhin einen Job haben."

VEGAN FUTURE

Nir Rosenfeld hat während des Lockdowns gleich zwei neue Restaurants eröffnet. Auf dem Grüneburgweg betreibt er jetzt mit Dominion Food Revolution sein drittes veganes Lokal nach Zeil Kitchen und Kuli Alma. Hier gibt es israelische Gerichte und Hamburger - vorerst als Take-away. Rosenfelds kleinen Vegan-Imbiss Moby auf der Zeil gibt es seit dem Frühjahr.

Ebenfalls in veganer Mission unterwegs ist Jane Tichy-Wullems. die Ernährungsberaterin, die mit "Lovely Dinner"-Events den Gastro Nomaden Trend nach Frankfurt brachte, veranstaltet unter dem Namen Jane's Kitchen vegane Koch-Workshops und bietet Catering ohne die Verwendung tierischer Produkte. Die veranstaltungsfreie Zeit innerhalb des letzten Jahres nutzte sie, um an der Rezeptur und Herstellung schmackhafter veganer Käse zu arbeiten. Mit Erfolg. Ihre Varianten, die sie als "Jane's Cheeze" auf den Markt gebracht hat, werden in guten Käsefachhandlungen angeboten. Grundzutaten der Cheezes sind Nüsse, vorwiegend Cashews, Pinienkerne und Mandeln. Es gibt frische und gereifte Sorten, die unter anderem mit Blütenmischungen, Kräutern und Holzasche verfeinert werden.

Eine Entwicklung, die sich bereits vor Corona abzeichnete, hat den Turbo eingelegt. Akteure in der Gastronomie sind flexibler geworden, die Kunden anspruchsvoller. Die neue Küche ist gesünder. Dabei spielen Transparenz und Nachhaltigkeit eine sehr viel größere Rolle als vor der Pandemie. Das alles setzt voraus, dass die Verbraucher bereit sind, etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Aber wer einen Sommer lang Tomaten auf dem eigenen Balkon angebaut und ihnen beim Wachsen zugeschaut hat, blickt ohnehin mit veränderter Wertschätzung auf Lebensmittel.