Eine Million weltweit verkaufte Bücher. Romanautorin und Historikerin Julia Kröhn schreibt die Schmöker, die den Leser in frühere, aufregende Zeiten führen. Die Wahlfrankfurterin mit österreichischen Wurzeln liebt die akribische Recherche und Geschichten mit Herz- und Kämpferblut. Beim Lunch in der Brasserie Oscar’s im Steigenberger Frankfurter Hof sprach sie mit Dr. Jutta Failing über die Kunst des Geschichtenerzählens.
HAPPY WORKAHOLIC
Die Frau mit den vielen Namen – für jedes Genre verwendet sie ein anderes ihrer Pseudonyme – besitzt die Augen einer Romanheldin, die ein Königreich zu verteidigen hat. Perlgrau wie blitzender Stahl, beinahe hypnotisch. Nur ihre warme, österreichische Sprachmelodie löst diesen Bann auf. Wie immer, wenn ich Julia Kröhn treffe, schreibt sie an einem neuen Roman. Ihr Fleiß ist enorm – mit größter Selbstdisziplin macht sie ihrem Ruf als Erfolgsautorin Jahr für Jahr alle Ehre. Wenn es auf das Ende eines Romans zugeht, läuft schon die Recherche für einen neuen.
Gerade hat sie den Titel „Das Lied des Waldes“ abgeschlossen, der im März 2022 unter dem Pseudonym Klara Jahn erscheinen wird. Als sie über den Inhalt erzählt – es geht um die moderne Waldsehnsucht und die Anfänge der Forstwirtschaft unter der Nürnberger Patrizierfamilie Stromer im 14. Jahrhundert – merkt man, auch hier ist es wieder ein Thema, das sie für Monate voll und ganz gefangen genommen hat. Nie schreibt die Historikerin ins Blaue hinein, immer macht sie zunächst alles in Bibliotheken ausfindig, was einem historischen Ereignis oder einer Epoche zugrunde liegt.
WHERE YOU WILL LIVE TO BE 100 YEARS OLD
Einsame, schwer zugängliche oder schicksalshafte, ja, verfluchte Orte ziehen Julia Kröhn an. Oft sind es die Schauplätze ihrer Romane, wohin sie ausgedehnte Reisen unternimmt, etwa auf die irische Klosterinsel Skellig Michael oder zum Fürstenfelsen von Monaco, dem Schauplatz gewaltsamer Intrigen der Grimaldis. „Zuletzt war ich mit meiner zehnjährigen Tochter auf den dänischen FäröerInseln. Es gibt dort sehr wenig touristische Infrastruktur. In den entlegensten Dörfern habe ich mir Friedhöfe angeschaut und war verblüfft, wie viele Hundertjährige dort begraben liegen. Was mag diese Menschen auf den Inseln so alt werden lassen? Tod im Kindbett und Unfälle bei den Männern waren meist die Todesursache bei den Jüngeren.“ Ein bisschen Wagemut gehört dazu, sich dieser rauen Einsamkeit auf Reisen auszusetzen, könnte man es sich in Wellness-Refugien doch gemütlicher machen. „Ich bin eher eine Eremitin, ich kann gut allein sein, auch wenn ich nicht reise. Doch wenn das Leben ruft, antworte ich“, fasst sie zusammen, was ihr Reich ausmacht. Auch Sport ist der Ausgleich zur Kopfarbeit. So nutzt sie etwa Klettertouren in einem Hochseilgarten im Taunus, um ihren „Elfenbeinturm“, wie sie sagt, manchmal zu verlassen.
MORE THAN JUST MEDIEVAL
FROM DISHWASHER TO WRITER
Sie erzählt mir von ihrer Schulzeit: „Durch das Abitur an einer Schule mit praktischer, hauswirtschaftlicher Ausbildung habe ich auch das Gastgewerbe kennengelernt, Teller gespült und gekellnert. So erhielt ich einen Blick aufs Leben, der demütig macht.“ Die Eltern waren Lehrer, ein nachhaltiger Einfluss. „Ich sehe mich weniger als Schriftstellerin, denn als Geschichtslehrerin. Ich erzähle in meinen Romanen Geschichten, aus denen man viel lernen kann, und die vielleicht den Blick auf das eigene Leben und die eigenen Ziele relativiert oder in Frage stellt“, erklärt sie. In den letzten Jahren hat sie eine Art Häutung durchlaufen, wie es scheint. „Meine Romane haben eine noch aktuellere, dringlichere, politische Botschaft. Waren sie früher wie eine heiße Schokolade, wärmend und wohltuend, sind sie jetzt und auch künftig mehr wie ein sportliches Workout, anstrengender, fordernder. Hinterher fühlt man sich jedoch fit.“
Wenn das Leben ruft, antworte ich. Julia Kröhn, Bestsellerautorin
Im Lockdown begann sie, ihre Kenntnisse des Hebräischen zu vertiefen, täglich übt sie mit einer App. „Ich habe mich in meinen Büchern mit so vielen jüdischen Themen beschäftigt. Den Vorwurf der kulturellen Aneignung, den man Autoren macht, halte ich für falsch. Man ist zu einer intensiven Recherche verpflichtet, immer und gerade hier.“ Wer Julia Kröhn kennt, die Zähe, die Fleißige, die selbstbewusst Forschende, weiß, sie hört nicht eher auf, bis sie die Sprache fließend beherrscht.