THE APARTMENT MAKER

Stefan Forster und sein Team gehören zu den führenden deutschen Büros im Bereich Wohnungsbau. Seit mehr als 30 Jahren und mit rund 60 Architekt:innen bearbeiten sie sämtliche Segmente – vom hochwertigen Appartement bis zur bezahlbaren Mietwohnung, vom Stadthaus bis zum Großblock. Im Interview spricht THE FRANKFURTER-Autorin Martina Metzner mit ihm über das Wohnen nach Corona, die Stadtentwicklung in Frankfurt und wo es sich am Wochenende am besten aushalten lässt.

Wie sieht für Sie die optimale Wohnung aus?

"Die Wohnung ist für uns der Ort des Rückzugs und der Privatheit. Der wichtigste Faktor für die Qualität des Wohnen ist das Licht. Die optimale Wohnung verfügt über ein Tageslichtbad und eine Tageslichtküche. Leider sind diese Qualitäten in der heutigen Diskussion um die 'kompakte Wohnung' verloren gegangen. Große horizontale Fenster mit niedriger Brüstung ermöglichen einen gleichmäßigen Lichteinfall, was die Räume größer erscheinen lässt. eine wichtige Rolle bei unseren Wohnungen spielt der Außenraum – zur Straße hin ist dies die Loggia mit geschlossener Brüstung, zum Hof kann es ein vorgestellter Balkon sein."

Wie müssen Wohnungen nach Corona geschnitten und ausgestattet sein?

"Die Coronakrise hat gezeigt, dass die Arbeit im Homeoffice gerade für Familien in kleinen Wohnungen extrem belastend ist. Homeoffice wird die Arbeit im Büro nicht ersetzen, sondern allenfalls ergänzen. Perspektivisch ist es aus ökonomischen Gründen nicht vorstellbar, die Wohnungen um die zusätzliche Fläche eines Arbeitszimmers zu erweitern. Die Lösung kann nur in der Doppelnutzung von Räumen mit flexiblem Mobiliar liegen. Hierzu ist das Schlafzimmer am besten geeignet."

Dann jetzt noch eine heiße Frage. Wie bekommen wir die wachsende Wohnungsnachfrage und die steigenden Mieten in den Städten in den Griff?

"Es gibt zwei Möglichkeiten, neuen Wohnraum zu schaffen. Einerseits durch die Außenentwicklung – also die Erschließung neuer Flächen – , andererseits durch die Innenentwicklung. Gerade die locker bebauten Siedlungen der Nachkriegszeit bieten großes Potenzial für die Schaffung von neuem Wohnraum – etwa durch Dachaufstockung und ergänzende Neubauten. In der Außenentwicklung sollten wir die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Bezahlbarer Wohnraum kann nur entstehen, wenn die Stadtentwicklung nicht den Bauträgern überlassen wird. Die Kommunen sollten Bauflächen bevorzugt an kommunale Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften und Baugruppen vergeben. Nur so können Bodenspekulation und steigende Preise eingedämmt werden."

Ihre Transformationen sind spektakulär. Schauen wir uns die beiden Projekte Philosophicum und Platensiedlung an – was war bei den jeweiligen Projekten die Herausforderung und wie haben Sie sie gelöst?

„Die beiden Projekte sind sehr unterschiedlich gelagert. Das Philosophicum ist ein bedeutendes Baudenkmal der Fünfzigerjahre, das ursprünglich von Ferdinand Kramer für die Goethe-Uni errichtet wurde. Der Altbau sollte denkmalgerecht saniert und zu einem Studentenwohnheim umgebaut werden. Der Bestand zeigte der Straße den Rücken – eine heute völlig unzeitgemäße Haltung. Diesen ‚Fehler‘ haben wir korrigiert mit einem Anbau an der Straße, der sich am Blockrand orientiert und die Integration in den Stadtraum gewährleistet. Der Neubau nimmt sich in seiner architektonischen Gestalt bewusst zurück. Beim Philosophicum ging es darum, die Sanierung möglichst nicht sichtbar zu machen. Die Hoffassade sieht heute wieder aus wie vor sechzig Jahren.“

Kommen wir zur Platensiedlung im Frankfurter Stadtteil Ginnheim. Was war da die Herausforderung?

„Die Platensiedlung ist eine typische Siedlung der Fünfzigerjahre, die ursprünglich als ‚Housing Area‘ des US-Militärs genutzt wurde. Seit knapp vier Jahren wird sie nach unseren Plänen für die kommunale Wohnungsbaugesellschaft ABG Frankfurt umgebaut. Grundlage der Transformation ist die Veränderung der Stadttypologie: aus einer Siedlung mit offener Zeilenbebauung wird ein Stadtquartier mit klar zugeordneten Höfen. Hierzu wurden die Satteldächer der 19 Zeilenbauten zurückgebaut und zwei Geschosse in Holzmodulbauweise aufgesetzt. Anschließend ergänzen wir den Bestand durch präzise gesetzte Neubauten. Mit vier Brückenhäusern wird die innere Erschließungsstraße überbaut und der Stadtraum neu gefasst. Durch die Schließung der offenen Ecken entstehen grüne Innenhöfe, die wir auf das Niveau der Hochparterre-Wohnungen angehoben haben. So erhalten die Erdgeschosswohnungen einen eigenen Mietergarten mit ebenerdigem Zugang. Die Platensiedlung ist ein Modellprojekt für die Schaffung von neuem Wohnraum in bestehenden Strukturen bei gleichzeitiger Verbesserung der Lebensqualität.“

Das Stadtentwicklungsprojekt an der Hanauer Landstraße, wo Sie ja auch das Schwedler-Carré gebaut haben, wie sehen Sie das?

„Architektonisch gehört es sicherlich zu den besten Projekten in der Stadt. Das Quartier ist das Ergebnis der positiven Zusammenarbeit von drei Architekturbüros; neben uns waren noch Karl Dudler Architekten und das Büro Ortner und Ortner beteiligt. Durch die unterschiedlichen Handschriften der Architekten entsteht für die Menschen ein vertrautes Bild von Stadt. Hier wird exemplarisch dargestellt, wie heutzutage ein neu geschaffenes, urbanes Wohnquartier aussehen kann.“

Ihre Neubauten sind oft Rückgriffe auf klassische Vorbilder der Architekturgeschichte – so zitieren Sie etwa die weiße Moderne in Tel Aviv mit geschwungenen Balkonen. Was fasziniert Sie an diesen Zitaten und weshalb bauen Sie nicht gleich neu?

„Ich halte Architekten, welche der Meinung sind, sie würden etwas erfinden, für arrogant – gerade in Anbetracht unserer reichhaltigen Baugeschichte. Es gibt nichts Neues – alles ist schon da. Die Aufgabe besteht darin, die Baugeschichte weiterzuschreiben indem wir uns mit unserer architektonischen Sprache auf sie beziehen.“

Der wichtigste Faktor für die Qualität des Wohnens ist das Licht. Stefan Forster, Architekt

Ökologie und Nachhaltigkeit. Wie setzen Sie diese um?

„Nachhaltigkeit hat viele Dimensionen. Im ökologischen Sinne heißt es Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern. Im Betrieb müssen unserer Gebäude klimaneutral werden. Hierzu leisten die derzeitigen alternativen Energieträger wie zum Beispiel Photovoltaik und Wärmepumpen einen wichtigen Beitrag. Beim Bau der Gebäude sollte man nicht jedem Trend, wie zurzeit dem Holzbau, hinterherlaufen. Unser großes Thema ist die ästhetische Nachhaltigkeit. Wenn es uns gelingt, ein schönes und wertiges Gebäude herzustellen, das Teil des kollektiven Bewusstseins der Stadt wird, ist sichergestellt, dass das Haus auch langfristig bestehen bleibt. Häuser sollten für lange Zeiträume konzipiert werden und nicht für kurzfristige Investitionszyklen.“

Was ist denn Ihre Lieblingsecke in Frankfurt?

„Ich muss gestehen, dass ich mich aus Frankfurt etwas zurückgezogen habe. Am Wochenende fahre ich immer in die Pfalz, weil ich es hier nicht mehr ertrage. Der öffentliche Raum in Frankfurt wird fast vollständig vom Auto dominiert, die Eventisierung unserer Stadtplätze finde ich unerträglich. Da sitze ich lieber in unserem Garten in der Pfalz.“