THE CHALLENGER: MAIKE TSCHORN

TV-Moderatorin und Reporterin Maike Tschorn liebt das Unerwartete. Ein Interview über das Boxen, Campervan-Roadtrips und darüber, wie Kraft erwächst, wenn man selbst vertraut. THE FRANKFURTER traf sie zum Lunch im „Friedas“, wo Mainhatten New York am ähnlichsten ist.

Maike Tschorn kommt mit einer großen Sporttasche aus dem Fahrstuhl des „Hüftschwung“-Omniturms, wo man im zweiten Stock wie in Big Apple im Restaurant Friedas Bar & Kitchen speisen kann. Die Aussicht auf Frankfurts Straßenschluchten ist von hier absolut „sexy in the city“. Sie will anschließend zum Box-Training, verblüfft sie uns. „Gerade für Frauen ist das ein empfehlenswerter Sport, denn er gibt viel mentale Stärke“, weiß sie, und erklärt: „Man geht über eigene Grenzen, überwindet sich. Das verändert die Ausstrahlung und klar, die Muskulatur wird auch aufgebaut.“ Später erzählt uns Maike, dass sie in einem kleinen Boxstudio im Frankfurter Bahnhofsviertel Feuer gefangen habe für den Sport, der immer noch männerdominiert ist. „Ich hatte bei der Box-Weltmeisterin Bilgenur Aras ein großartiges Personal Training. Seitdem lässt mich das klassische Boxen nicht mehr los. Hartes Gesichtssparring mache ich aber nicht, ich brauche mein Gesicht zum Arbeiten.“ Noch einen Nebeneffekt habe das Training vielleicht: „Es gab eine Zeit, als ich in Frankfurt ständig Catcall-Erlebnisse hatte, verbal belästigt wurde. Das hat sich verändert, was aber auch an der gesellschaftlichen Sensibilisierung mit dem Thema zu tun haben könnte. Ich hoffe, da tut sich auch noch mehr in eine positive Richtung.“

Ich mag keinen Stillstand. Maike Tschorn, TV- Reporterin („Campervan-Roadtrip“, hr-Fernsehen)

ON FOUR WHEELS

Schottland, Istrien, Andalusien und andere europäische Urlaubslandschaften: Für die Fernsehsendung „Campervan-Roadtrip“ des Hessischen Rundfunks reist Maike mehrmals im Jahr mit Kamerafrau Tanja Höschele entspannt von Ort zu Ort und trifft Einheimische und Auswander:innen. Immer am Steuer, tausende Kilometer, Maike. Viel Freiheit und Abenteuer einerseits, viele Überraschungen und Umwege andererseits. „Ich fahre total gern Auto. Und seit Schottland, als wir im Linksverkehr in den Highlands auf den ‚Single Track Roads‘ unterwegs waren, ohne Rückfahrkamera, ohne Automatik, und uns große Wagen entgegenkamen, kann mir eigentlich nichts mehr Schlimmeres begegnen“, lacht sie. Von emotionalen Begegnungen unterwegs, die den Blick auf die eigenen Werte schärfen, erzählt sie uns, etwa von einer Pferdeflüsterin in Portugal oder einem deutschen Paar mit großem Altersunterschied in Andalusien, deren Liebe sie durch schwere Zeiten einer Krebserkrankung gebracht hat. On the road sein, im Camper übernachten, mal raus aus der Komfortzone, das alles sei genau ihr Ding: „Ich liebe Überraschungen, Abenteuer und Herausforderungen. Und inzwischen liebe ich es auch, wenn ich nicht weiß, was passiert. Weil ich gelernt habe, auf mich selbst zu vertrauen, was ein wirklich großartiges Gefühl ist.“ Zugefallen sei ihr das Gefühl nicht, „ich habe darauf hingearbeitet, denn die Sache mit Abenteuern ist, du musst offen für sie sein. Etwas wagen, mutig sein. Und dann sind sie das Beste, was es gibt.“

CUTE SHARKS

Hat denn diese Frau vor gar nichts Angst? Ein wunder Punkt. „Vor Spinnen und Haien“, gibt sie zu. „Früher konnte ich mir noch nicht mal Fotos von Haien anschauen.“ Dabei ist Maike Surferin. Squalophobie heißt das Fachwort. Der Wendepunkt kam bei einem Dreh in Dänemark als sie sich mit einer Tahitianerin, Surfcoach und zugleich Sexualtherapeutin, unterhielt. „Ich hatte Panik im Wasser, diese Tiefe. Dabei liebe ich das Element Wasser. Das Meer. Ich habe das Surfen in Südafrika mal versucht, aber war wie versteinert, da gibt es Haie. Doch nach einer Surfstunde mit Vahine Itchner in ‚Cold Hawaii‘, Dänemarks Surferparadies, wusste ich: Genau das ist das, was ich lernen will. Und ich glaube, der Angst mit den Haien werde ich mich noch stellen und einen Tauchschein machen.“

ROOTS & WINGS

Ihre ganze Familie lebt in Norddeutschland, in Bremen, wo sie aufgewachsen ist. Im Urlaub fuhr die Familie immer nach Dänemark, „wegen unseren Hunden, und noch heute komme ich in Dänemark am besten runter, kann entspannen, obwohl ich schon viel von der Welt gesehen habe.“ Sie sei ein „Deichkind“, sagt Maike. Ist sie in Bremen bei den Eltern, ist ein Spaziergang am Deich immer drin. „Sie haben mich in allem unterstützt, auch als ich mit 16 Jahren einen journalistischen Schülerwettbewerb gewann und für fünf Wochen nach Indien ging. Sie waren sicher aufgeregter als ich, aber ließen mich ‚ziehen‘. Diese frühe Erfahrung, ich war in drei Städten bei Gastfamilien, hat mich geprägt und mich für andere Kulturen geöffnet. Sicher auch ein Anstoß für das, was ich heute tue.“ Und noch etwas bekam sie zuhause mit auf den Weg: „Meine Mutter vermittelte mir den Wert der Eigenständigkeit, sich nicht von anderen abhängig zu machen, und das zu leben, was man fühlt. Dafür bin ich sehr dankbar.“

EVEN IF YOU FAIL

Das Wort Female Empowerment ist inzwischen omnipräsent – jede:r spricht darüber, viele Frauen fühlen sich dadurch verstanden und andere wiederum versuchen eine nachhaltige Veränderung in der Gesellschaft zu erwirken. Die eine Veränderung gibt es sicher nicht. Viele zusammen aber schon. „Frauen sollten sich von gesellschaftlichen Konventionen lösen. Wir leben in einem Land, in dem das möglich ist. Es geht darum, mutig zu sein, sich einfach zu trauen – und keine Angst davor zu haben, was passiert, wenn etwas nicht klappt. Auch beim Scheitern gibt es einen Weg“, erklärt Maike ihren Standpunkt. Ihr Weg kann Vorbild sein. Das Frau-Sein müsse gefeiert werden, und das auf jeder Ebene: „Ganz egal, ob man boxt oder Ballett tanzt. Wir können heute alles sein. Morgens im Pulli und mit Wuschelhaaren rumlaufen und bei einem Fest im Kleid und mit hohen Schuhen. Ich muss nicht gut aussehen, wenn ich zum Sport gehe. Doch auch ich bin nicht ganz frei, mich selbst zu bewerten. Doch man kann junge Frauen nur ermutigen, zu sagen: Ich bin okay, wie ich bin. Und ich folge meiner Intuition und meinen Werten.“

PERFECT WAVE

Maike Tschorn hat viel vor, was ihrem Temperament entspricht. Ein Buch will sie irgendwann schreiben. Einen Roman (etwas über Sport und Ernährung, „mein Steckenpferd“.) Im Fernsehen steht sie unter anderem für ein Ratgeber-Format vor der Kamera. Für 2024 plant sie mit einem Freund ein Surf- und Boxcamp in Marokko, ihrem Lieblingsland, in das sie oft reist. „In Agadir an der Atlantikküste gibt es einen Surfspot nach dem anderen. Einer der besten des Landes und sehr beliebt bei Longboardern und Anfänger:innen ist in Imsouane, die Welle dort ist die längste Marokkos und läuft am Leuchtturm des kleinen Fischereihafens bis zu 600 Meter in die Imsouane Bay. Imsouane ist mein kleines Bali. Ein happy place.“ In Marokko unterstützt sie außerdem den Tierschutz (Morocco Animal Aid).

WOMEN CAN DO ANYTHING

Sie lässt sich von uns überreden, die Boxhandschuhe überzustreifen. Ein paar sportliche Fotos auf der spektakulären Terrasse des Friedas entstehen. Dass diese toughen Hände auch Klavier und Querflöte spielen können, wissen wir inzwischen. Als Schülerin spielte die Bremerin im Jugendsinfonieorchester ihrer Heimatstadt. Sogar im Vatikan trat man auf. „Frauen können so viel! Mein Rat: Der Intuition und dem Herzen folgen. Etwas wagen. Nicht blind, mit Bedacht, aber wenn das Herz ja sagt: Just do it! Lasst uns mutig sein.“ ihr Credo ist kein Lippenbekenntnis, sie lebt es.