Irene Grau hat in ihrem Heimatland Spanien bereits viele wichtige Auszeichnungen erhalten, darunter den renommierten Kunstpreis Premio Generaciones. In ihrem jüngsten Projekt verbindet die Künstlerin die Praxis des Wanderns mit den Traditionen der Landschaftsmalerei und der monochromen Malerei. Der Galeristin Heike Strelow erzählt sie vom Reiz, bereiste alpine Wege zu rekonstruieren.
Mit „The Carrier“ umfasst Irene Grau eine Reihe von Aktionen, die sie im Sommer 2018 in den Schweizer Alpen durchführte. Ihr Ziel war es, die Wanderungen bedeutender Schweizer Landschaftsmaler wie Ferdinand Hodler oder Caspar Wolf, letzterer ein Pionier der Hochgebirgsmalerei, zu rekonstruieren und wiederzubeleben. Jedes ihrer „Rucksackbilder“, welches in Größe und Farbpalette immer auf ein Bild eines dieser Maler zurückgreift, wurde kurz vor dem Aufbruch zur Wanderung im Freien gemalt, so dass der Trocknungsprozess des Bildes mit dem Verlauf der Wanderung übereinstimmt. Außerdem wird jedes Bild durch Aufzeichnungen in Form eines Büchleins ergänzt, das die Route, die Höhenangaben, die Zeit und die fotografische Dokumentation der Wanderung enthält. Auf diese Weise haftet die Landschaft dem Gemälde auf einer körperlichen Ebene an. Die konzeptionelle Pleinairistin (Freilichtmalerin) geht davon aus, dass das Werk "nur" das ist, was von einer Erfahrung übrig bleibt, die weit über eine bereiste Landschaft oder studierte Architektur hinausgeht.
Irene, für dich scheint die Malerei untrennbar mit der Erfahrung eines Ortes oder einer Landschaft verbunden zu sein. So greifst du, wie in deiner jüngsten Aus-stellung in Frankfurt, Titel "The Carrier", immer wieder die Tradition der Pleinairmalerei auf. Was reizt dich daran?
„Ich finde, dass der Pleinairismus, also die Malerei im Freien, mit meiner Art, Landschaft aus dem Gesichtspunkt des Displacements, der Verlagerung, zu denken, vieles gemeinsam hat. Landschaft ist nie etwas Statisches, sie entwickelt sich immer weiter und selbst ihre Wahrnehmung ist von einem dynamischen Standpunkt aus, von der Aktion des Gehens, viel interessanter. So betone ich mit der Ausstellung ‚The Carrier‘ bewusst die Aktion der körperlichen Verlagerung und des Tragens bei den plenairistischen Malern, um auch deren Faszination für die permanente Veränderung einer Landschaft herauszuarbeiten.“
Eine einfarbige Fläche hilft, sich auf die Hauptidee zu konzentrieren. Irene Grau
In deiner künstlerischen Praxis nutzt du häufig die Möglichkeiten der monochromen Malerei, der Fotografie und der Intervention, um die Möglichkeiten der Landschaftsmalerei zu erkunden. Geht es dir um eine Neuinterpretation dieses Genres oder um eine noch umfassendere Neudefinition dessen, wie wir Landschaft sehen und wahrnehmen?
„Nicht nur die Landschaft verändert sich ständig, auch die Art und Weise, wie wir sie wahrnehmen, ist jedes Mal anders. Die Landschaft gehört wie die Malerei zu den Dingen, die sich nicht genau definieren lassen, weil sie Traditionen sind und sich die Art und Weise, wie wir sie verstehen, ständig verändert. Es ist möglich, die Landschaft immer wieder neu zu überdenken. Daher ist der Blick in die Vergangenheit und die Auseinandersetzung mit früheren Vorstellungen immer ein wertvolles Instrument.“
Die monochrome Malerei spielt für dich in diesem Prozess eine zentrale Rolle. Ist dies vor allem ein Hinweis auf deinen konzeptionellen Ansatz oder spiegelt es eher die Grundlage dieses Ansatzes wider?
“Ich komme zur monochromen Malerei, weil es mir nie um einen Stil oder eine formale Entscheidung geht, sondern vor allem um die Visualisierung eines Prozesses. Dieser Gedanke führt meist zu einer einfarbigen Fläche, weil sie weniger ablenkt und hilft, sich auf die Hauptidee zu konzentrieren. Das künstlerische Konzept der Aktion und monochrome Malerei sind seit den Anfängen miteinander verbunden. So wie auch die monochrome Malerei aus der Landschaftsmalerei hervorgegangen ist.“