THE ARTFUL STORY TELLER

Roberto Cortez, ein Star der US-amerikanischen Kreativküche, wird gefeiert für spektakuläre, essbare Kunstwerke. Seine Pop-Up-Dinner inszeniert er wie sinnliche Bühnenbilder, inspiriert von Kunst und Design. Mit THE FRANKFURTER-Autorin Dr. Jutta Failing sprach der Wahlberliner über die geheimnisvolle Macht von Aromen und Texturen.

Er war Privatkoch von Microsoft-Milliardär Paul Allen und designte Lady Gagas Geburtstagstorte. Er kochte Haute Cuisine für Hollywood-Celebrities und stand mit Albert Adrià, dem Bruder und Partner von Molekular-Star Ferràn Adrià, am Herd. Der Durchbruch kam für Roberto Cortez mit seinem experimentellen Dining-Konzept CR8: An keinem festen Ort, sondern als Pop-Up-Event serviert er einem kleinen Kreis ein alle Sinne tief durchdringendes Dinner, beeinflusst von visuellen Kunst- oder Designtrends und stets unter einem singulären Motto, das wohlig triggert. "Dark Illuminated Forest" oder "Unfamiliar Conflict" beispielsweise. Nach hochkarätigen Stationen, wo er sein Können bei internationalen Herd-Größen erweiterte, lebt der 1967 in El Paso/Texas geborene Food Artist und Ex-Heavy Metal-Gitarrist heute in Berlin.

Hallo Roberto, was haben ein gutes Essen und ein großartiges Gemälde gemeinsam?

Roberto Cortez: "Die Emotion. Sobald wir etwas Wunderbares schmecken, schalten wir sofort in einen emotionalen Empfindungsmodus von Genuss und Glück. Bei einem Gemälde ist es das Gleiche. Ob wir nun unsere Augen auf einem Werk von Van Gogh oder Basquiat ruhen lassen, wir werden von Emotionen bewegt, wenn das Werk uns wirklich berührt."

Deine Dinner sind Geschichtenerzähler. Sie rufen bei den Gästen subtile Gefühle, teils auch lange verschüttete Erinnerungen wach. Wie gelingt dir das?

"Ein Beispiel: Auf dem London Design Festival vor einigen Jahren servierten wir Desserts, die auf Emotionen basierten. Darunter das Gefühl von Liebe und Familie. Aber auf eine Art und Weise, die man erst zu schätzen weiß, wenn man älter ist und von seiner Familie wegzieht. Zu diesem Zeitpunkt erinnert man sich an die Gefühle der eigenen Kindheit. Ich habe fünf Monate damit verbracht, um die Geschmäcker der Welt und die Gemeinsamkeiten innerhalb der Weltkulturen zu studieren. Während der Veranstaltung verließ eine Frau aus Finnland den Tisch und rannte in den Flur. Ich wurde sofort gerufen und erfuhr, was passiert war. Sie sah mich mit Tränen in den Augen und leicht verlegen an. Beim Essen, so erklärte sie mir, habe sie angefangen zu kichern, weil es so gut war. Und in diesem Gefühl begann sie ihre Familie in Finnland zu vermissen und konnte nicht aufhören zu weinen. In diesem Moment wurde mir klar, dass das ganze Studium und die Recherche über Geschmacksrichtungen tatsächlich funktioniert hatten. Die Frau fühlte genau das, was ich versuchte, sie fühlen zu lassen, und das nur durch die Verwendung von Aromen und Texturen."

Beeinflusst uns hier auch die Farbe des Lichts?

"Auf jeden Fall! Die Menschen sind sich manchmal nicht bewusst, wie unsere Sinne diktieren, was wir erleben. Wenn wir etwa ein rotes Licht auf dem Teller haben, werden wir uns unterbewusst und sogar bewusst vorstellen, dass es wie irgendein rotes Essen schmeckt, das wir in unserer Vergangenheit gegessen haben. Es ist das komplexe Zusammenspiel vieler Sinnesreize, das wir letztlich als Genusserlebnis verorten. Unser Gehirn reagiert auf diese Reize und ruft Dinge ab, die es dort verankert hat, darunter auch Erinnerungen."

Welchen Geschmack assoziierst du mit Berlin?

"Nun, es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber das erste, was die Leute mich kosten ließen, als ich nach Berlin kam, war Currywurst! Alle sprachen davon, dass das so ein tolles Berliner Geschmackserlebnis sei. Ich würde also sagen: Currywurst. Generell mag ich die traditionelle deutsche Küche. Das ist alles so lecker!"

Was inspiriert dich?

"Eine Sache, die mir bei der Inspiration aufgefallen ist, dass es nicht immer eine bestimmte Sache ist, die sie entzündet. Es ist eher ein 'Gefühl'. Und in diesem Gefühl fühlt man sich auf einmal unbesiegbar und hat das Gefühl, dass alles möglich ist. Das ganze Konzept der 'Kreativität' ist das, was mich am meisten inspiriert. Wirklich zu glauben, dass ich absolut alles, was ich mir ausdenke, in die Realität umsetzen kann, ist eine wunderbare Erkenntnis. Aber um dieses grenzenlose Gefühl zu erlangen, lasse ich mich fast ständig von Kunst und Design inspirieren. In der Kunstwelt suche ich oft nach kreativer Fotografie, Skulpturen und Mixed-Media-Elementen als Inspiration. Ich verfolge auch oft Architekten und Designer in den verschiedenen Bereichen, um mich inspirieren zu lassen. Zu sehen, wie innovativ Designer sein können, hilft mir, meine eigenen Grenzen zu verschieben."

Woran arbeitest du aktuell?

"Das nächste CR8 Pop-Up-Event, das ich in Berlin plane. Dieses Konzept ist das gewagteste und kreativste, das ich bisher gemacht habe, und ich bin sehr gespannt darauf. Nur vier Nächte und jeweils für zwölf Gäste. Sehr exklusiv und definitiv eher für abenteuerlustige Kunst- und Foodie-Typen gedacht!"

Was würdest du dir für eine "letzte Mahlzeit" auf Erden wünschen?

"Die 'letzte Mahlzeit' wäre im Restaurant Guy Savoy in Paris. Dort hatte ich mein erstes Michelin-Stern-Erlebnis und es war so wunderbar, dass ich es wieder haben möchte. Es war erhaben!"