THE ART OF ILLUSTRATION

THE FRANKFURTER feiert Kunst-Premiere – und das mit einem Cover, das die Berliner Illustratorin Ekaterina Koroleva exklusiv für uns gestaltet hat. Mit ihr und der Agentur Kombinatrotweiss, ein wichtige Player in der weiten Welt der Illustratoren und Motion-Designer, tauchen wir ein in Trend-Medium, das auf faszinierende Weise Botschaften visualisiert.

Ein bisschen erinnert der gepflasterte Hinterhof in Alt-Sachsenhausen an Harry Potters Winkelgasse „Diagon Alley“, in der magisch begabte Internatsschüler ihre Zauberutensilien kaufen. In die Jahre gekommene Fachwerkfassaden, Pubs und Gassen, die sich in engen Biegungen verlieren. Wäre da nicht das stylische Architektenwunder Kleine Rittergasse 11 – der kreative Impulsgeber einer neuen Zeit für das apfelweinselige Viertel. „Der kleine Mann mit dem Blitz“, heißt der Galerie-Eventraum im Erdgeschoss des Wohn- und Atelierhauses, darüber hat die Agentur Kombinatrotweiss ihre Büroräume. Deren Geschäftsführerin Svetlana Jakel ist so etwas wie eine junge Grand Dame der Illustration, mit ihrem Team vermittelt die ausgebildete Modedesignerin außerordentlich erfolgreich an die 60 Illustratoren und Motion-Designer für Werbung, Beauty, Fashion, TV und vieles mehr. Beliefert wird das Who is Who vor allem deutscher Unternehmen.

Ich finde, dass Kreativität und Visualisierung in der Illustration sehr ehrlich sind. Svetlana Jakel, Kombinatrotweiss

THINK IN PICTURES

„Tatort Fashion“, titelt die Ausstellung, die für einen Abend in der Galerie gezeigt wird. Svetlana Jakel hat die Haute-Couture-Modeillustratorin und Malerin zufällig kennengelernt, jetzt stellt Florentine Joop, Tochter des Modedesigners Wolfgang Joop, bei ihr in Frankfurt aus. Von berühmten Namen lässt sich die Agenturchefin wenig beeindrucken, bei ihr zählen andere Dinge: „Die Emotionalität der Bilder muss mich ansprechen, mich berühren. Außerdem muss ein roter Faden und zugleich eine gewisse Vielseitigkeit erkennbar sein, schließlich kommen die Kunden mit ganz unterschiedlichen Wünschen auf uns zu – von der medizinisch-wissenschaftlichen Illustration, etwa für Patienten-Flyer, über die Verpackungsillustration und Editorials für Zeitungen, Magazine und Bücher bis hin zur 3D-Grafik, Mode-/Beauty-Illustrationen und innenarchitektonischen Illustrationen. Die Bandbreite ist sehr groß.“

Es gibt nur wenige Agenturen in Deutschland, die sich auf diesen Bereich spezialisiert haben und hochkarätige Illustration fördern. Warum das so ist, mag damit zusammenhängen, dass Illustration in Deutschland lange ein Nebenschauplatz in Werbung und Co. war. Zwar gilt Illustrator hierzulande als Traumberuf, aber deutsche Unternehmen sind im europäischen Vergleich noch zaghaft, diese Kommunikationsform einzusetzen – doch der Trend geht genau dorthin. Seit Ende 2014 hat sich Kombinatrotweiss darauf spezialisiert, die Agentur gibt es schon seit 2002.

TRENDS - A LONG STORY SHORT

Als Mönche in den Klöstern des Mittelalters kleine Fabelwesen und verspielte Initiale in Bücher aus Pergament malten, begann nördlich der Alpen die Illustration. Mit dem Buchdruck kam der Holzschnitt, der wiederum um 1600 vom Kupferstich verdrängt wurde. Modernere Techniken folgten. Als dann die Fotografie aufkam, wirkte sich das fast wie Todesstoß auf die graphische Illustration aus. Das Medium wurde für lange Zeit zum Nischenphänomen. Selbst heute werden Illustratoren oft reduziert auf Kinderbücher und ihre Arbeiten als reine Unterhaltung gesehen. Dabei kann die Illustration so viel mehr – sie macht komplizierte Zusammenhänge verständlich, interpretiert und erklärt, mit oder ohne Wörter. Und sie funktioniert absolut international.

„Ich würde mir wünschen, dass sich die Kunden hier noch mehr trauen, auch um beim Endverbraucher einen Überraschungsmoment zu erzeugen“, sagt Svetlana Jakel. Sie hat Strömungen genau im Blick, weiß: „Neben ‚Lettering‘, also kalligraphische Buchstaben, das bereits seit längerem sehr gefragt ist, ist ‚Flat Illustration‘ ein großer Trend, der sich gerade ankündigt. Dabei wird auf realistische Darstellungen von Texturen und dreidimensionalen Elementen verzichtet, alles ist ganz plan und in kräftigen Farben. Es geht darum, dass der Betrachter den Inhalt schnell wahrnimmt. Gerade haben wir so die ‚AHA‘-Out of Home-Kampagne („Zusammen gegen Corona“) für das Bundesministerium für Gesundheit gestaltet. Was parallel gefragt ist, sind Animationen, die man zeitnah und kostengünstiger als einen Realfilm umsetzen kann. Dank der Digitalisierung wird in Zukunft noch viel kommen. Es gibt jetzt bereits Illustrationen, die wie 3D anmuten und in der Luft zu schweben scheinen, so dass man meint, man könnte hindurchlaufen.“

FROM BANGKOK WITH FLOWERS

Viele Illustratoren sind Einzelkämpfer, arbeiten allein und zuhause. So sieht sich auch Matthias Schardt, der von Kombinatrotweiss vertreten wird. In seinem Wuppertaler Studio arbeitet er an zwei Tischen, einer für die digitalen Illustrationen und Animationen und einer für die analogen Kreationen. Comics sind erkennbar seine Einflüsse, „als Kind verschlang ich die ‚Gasto‘-Hefte, André Franquin war ein phantastischer Zeichner“. Die thailändische Illustratorin und Interior Designerin Pomme Chan, die von Bangkok aus die Frankfurter Agentur beliefert, geht einen anderen Weg, auch stilistisch – sie gründete die erste Illustrationsagentur ihres Heimatlandes und eröffnete ihren eigenen Design-Shop „Whatif“, für den sie Tapeten und Teppiche entwirft.

„Aus dem Bauch heraus“, beginnt sie mit Handzeichnungen, um dann ihre analogen Entwürfe digital am Computer zu finalisieren. Oft kreiert sie typographische Illustrationen mit floralen und animalischen Motiven, mit denen sie es schon auf Titelseiten der amerikanischen Variety und des New York Times Magazine geschafft hat. „Aktuell arbeite ich an zwei Buchcover, einer neuen Tapetenkollektion und einer Dauerausstellung für die Thailand Art Biennale 2021“, sagt sie. Gut beschäftigt sind aktuell viele, auch freie deutsche Illustratoren. „Corona ist eine Chance für die Branche“, weiß Svetlana Jakel. Statt Fotoproduktionen, die durch die Reise- und Kontaktbeschränkungen schwierig sind, entscheiden sich Unternehmen verstärkt für zeichnerische Visualisierungen. Was die Agenturchefin in 2020 dennoch schmerzlich vermisst – die Berliner Messe „UPdate – Salon für Photography and Film“: „Dort treffen sich die Kreativagenturen und ihre Kunden, ein wichtiger und inspirierender Branchentreff.“

URBAN SKETCHER

Eine Anfrage kommt, der Illustrator beginnt. „Jede Anfrage ist anders, vom Tod, übers Vererben bis hin zu Technologie und Beauty. Man denkt sich immer wieder in ganz neue Themen rein, das macht es sehr spannend“, erzählt Illustratorin Fritzi Stuke über ihre Zusammenarbeit mit Kombinatrotweiss. Die Vektorillustration sei genau ihr Ding. „Es ist mein Stil. Außerdem kann ich hier schnell auf neue Motivwünsche und Feintunnings eingehen.“ Natürlich geht es Illustratoren auch darum, freie Entwürfe umzusetzen. Manche, wie der Zeichner Lapin, haben auf diesem Feld eine riesige Fangemeinde.

Der Franzose, der Barcelona zu seiner Wahlheimat erklärt hat, füllt Vintage-Sketchbücher, die er auf Flohmärkten entdeckt hat, mit wunderschönen, liebevollen Zeichnungen – Menschen, Orte, Pflanzen, alles hält der Urban Sketcher mit Kugelschreiber, Wasserfarben und Farbstiften fest. Danach scannt er seine Zeichnungen ein und fügt sie am Computer zu digitalen Collagen zusammen, von denen viele in Büchern veröffentlicht werden. „Dinosaurier gehören zu meinen Lieblingsthemen.“ Dinosaurier?! „Ich bereite ein neues selbstveröffentlichtes Skizzenbuch vor, eine Auswahl von Dinosaurierknochen, die ich in Naturkundemuseen auf der ganzen Welt skizziert habe, vermischt mit Dinosaurierspielzeug aus Plastik von Flohmärkten. Das wird spaßig!“

EKATERINA KOROLEVA

Ihre ersten Malversuche machte Ekaterina Koroleva auf Cornflakes-Packungen. Als Kind bekam sie Zeichenunterricht, später studierte sie Grafik und lebte in Rom. Heute fühlt sich die Berlinerin, die in der UdssR aufwuchs, im Editorial für die Bereiche Beauty und Mode am wohlsten. Als freie Illustratorin arbeitet sie für namhafte Fashion- und Lifestylemagazine sowie Beauty-Unternehmen. Für THE FRANKFURTER gestaltete sie ein wunderbares Cover und macht unsere Winterausgabe zum Kunst-Sammlerstück.

Was inspirierte Sie bei der Illustration für THE FRANKFURTER?

„Das Cover sollte in winterliche Stimmung getaucht werden, und in Anlehnung an die Protagonistinnen der vorherigen Ausgaben (Frankfurts Clubkultur, A.d.R.) lag es nahe, eine selbstbewusste Silhouette zu erschaffen, die Erfolg, Glam und Weiblichkeit ausstrahlt. Vor der Frankfurter Kulisse erstrahlt sie in nächtlichem Glanz der sich mit winterlichen schimmernden Eiskristallen und den Lichtern des Frankfurter Nightlife vermischt.“

Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben?

„Meine Arbeiten umfassen skizzenhaft gestaltete Bleistift-, Aquarell- und Tuschezeichnungen, die mit kontrastierenden Farbflächen und Formen collagiert werden. Diese Techniken ergänzen sich sehr gut und entwickeln eine schöne Dynamik. Während meine Aquarellflächen unkontrollierbar erscheinen, bändigt sie der Bleistift und verleiht ihnen eine Form, aber auch umgekehrt. Die weibliche Silhouette ist das Leitmotiv in meiner Arbeit. Ich liebe das Unfertige, das Rohe, was durch die starken farbigen Formen gehalten werden muss, um nicht zu viel Unruhe zu kreieren.“

Sie sagen, insbesondere russische Märchen und Kinderbücher der ehemaligen UdssR, die man als prächtige Illustrationen der alten Erzähltradition kennt, seien Ihre Einflüsse.

„Das stimmt, sie prägten meine Art zu illustrieren. Ich schätze hier sehr die Werke des berühmten Märchen- und Sagenillustrators Ivan Bilibin (1876-1942) und der Malerin Natalija Gontscharowa (1881-1962), die der russischen Avantgarde zugerechnet wird.“

Was ist das Schönste an Ihrem Beruf?

„Die Freiheit, dass zu machen, worauf ich Lust habe und mich absolut zu verwirklichen – und davon leben zu können. Ein Traum wäre noch, einen Innenraum zeichnerisch zu bespielen oder die Fassade eines kleinen Hauses. Ich möchte gern in den dreidimensionalen Raum mit der Illustration.“

Was würden Sie Anfängern raten?

„Hart zu arbeiten und die ersten ein bis drei Jahre alle Energie in die Etablierung der eigenen ‚Marke‘ zu stecken. Offen bleiben, konstant auftreten und lieber auf den Bauch hören anstatt Trends oder anderen Künstlern hinterherzujagen. Lieber work in progress als final goals, das macht den Beruf lebendig und abwechslungsreich und man selber bleibt bodenständig und emotional stabiler bei Rückschlägen. Erfahrungsgemäß bringt Fleiß auch Künstler weiter als nur Talent.“