Beim Traditionsunternehmen Julius Hembus werden Tapeten noch in Handarbeit und nach historischen Vorlagen gefertigt. Gefragt sind die Schönheiten nicht nur bei Restaurierungen und in Museen, auch immer mehr jüngere Fans suchen Tapeten und Borden als Blickfang. Unser Style-Experte Chris traf einen Malermeister der alten Schule, Geschäftsführer Hans Moosbrugger.
„Es gibt Kund:innen, die ein Stück von einer ursprünglichen Tapezierung hinter Fußleisten oder Türstöcken finden, und diese Tapete dann von uns rekonstruieren lassen“, erzählt Hans Moosbrugger über ganz spezielle Wünsche. Der Hembus-Geschäftsführer kann zufrieden sein. Tapeten sind groß im Trend und auch auf den Baustellen der Firma, die sich neben handgemachten Tapeten auf hochwertige Fassadengestaltung und Denkmalpflege spezialisiert hat, gibt es viel zu tun. Nur fähige Auszubildende sind seit Jahren nicht zu finden, wie überall im Handwerk. „Das Image des Maler- und Lackiererberufs ist leider schlecht geworden. Die Bezahlung ist gut und wer etwas lernen will, ist hier genau richtig“, so Moosbrugger, der in den vergangenen Jahrzehnten 140 Auszubildende bis zur Gesellenprüfung geführt hat. Er selbst fing schon mit 13 Jahren nach der Schule an, auf den Baustellen seines Vaters zu arbeiten. „Das waren noch andere Zeiten“, sagt er.
GOOD REPUTATION
Mit 21 Jahren hat Moosbrugger seinen Meisterbrief in der Tasche, dann setzt er an der Höheren Fachschule (Akademie) Stuttgart noch ein Diplom für Farben, Form und Gestaltung drauf. Bevor er sich selbstständig macht, arbeitet er auf prominenten Großbaustellen in Deutschland, worauf er heute stolz ist. Im Jahr 2000 übernimmt sein Maler- und Lackierbetrieb die in Schieflage geratenen Julius Hembus Maler- und Stuckwerkstätten, ein damaliger Marktführer. Schließlich muss er sich auf einen Betrieb konzentrieren, wodurch er gezwungen ist, Mitarbeiter:innen zu entlassen, doch: „Die sind alle gut untergekommen, der exzellente Ruf war uns voraus. Wer bei Hembus gearbeitet hat, ist qualifiziert.“
SINCE 1894
Der Chef zeigt mir eine sehr seltene „Bandsiebdruck“-Maschine, konstruiert von Wilhelm Messerschmitt, der während des Zweiten Weltkriegs vor allem Flugzeuge baute. Firmengründer Julius Hembus sei ein guter Bekannter von Messerschmitt gewesen, erfahre ich. Die betagten Maschinenmotoren laufen noch heute voll im Betrieb mit. Die Liste der herausragenden Aufträge seit der Gründung durch den Restaurator Julius Hembus im Jahr 1894 ist lang. Schon am Kronberger Schloss Friedrichshof (heute Schlosshotel Kronberg) und am Kurhaus Wiesbaden baute die Firma mit. Private Villenbesitzer, die Wert auf Repräsentation und Stil legten, bestellten bei Hembus. Das Goethehaus, die Historische Villa Metzler am Schaumainkai (Teil des Museums für Angewandte Kunst) und das Kloster Eberbach gehören zu den zahlreichen bekannten Baustellen aus jüngerer Zeit.
FRUITS OF THE PAPER
Ich blättere in den Tapetenbüchern und bin begeistert über die Vielfalt der zeitlosen Designs. Ob einfache Streifenmuster wie Goethe und Clemens Brentano sie kannten, üppige Arabesken aus der Gründerzeit, floraler Jugendstil wie die limitierte Auflage „Bärenklau“ und Marmor-Imitate. Durch die Handarbeit wird jede Auflage der Vintage-Tapeten und Borden zum Unikat. „Fräulein Klara“, „Weimarer Kränzchen“ und „Ananas“ sind ein paar der blumigen Namen für diese Wandschmeichler. Weinlaub, Obstkörbe, exotische Vögel und vieles mehr bevölkern sie. Ich mag besonders die noble „Steppdecke“, die mit beige-gelben Streifen illusionistisch vorgibt, eine gepolsterte Decke zu sein, und auf ein Original von 1790 zurückgeht. Selbst in einem puristischen Interieur würde sich die Tapete als mondäner Eyecatcher fabelhaft machen.
TWO PRINTS
„Die Herstellung der Tapeten beginnt lange vor dem Druck“, erklärt Hans Moosbrugger: „Die Muster werden zunächst nach der Vorlage aufwendig mit der Hand gezeichnet. Bis zu 36 Künstlerfarben werden dabei bis ins Detail abgestimmt. Wir vermeiden es, Kunststoffe einzusetzen und arbeiten nachhaltig und ökologisch, das entspricht unserer Philosophie. Insgesamt verlassen unsere Manufaktur an die 750 verschiedene Tapeten und Borden.“ Ich lasse mir den Ablauf des meterlangen Druckens erklären: „Die erste Farbe wird mit der Bürste handwerklich aufgetragen. Mit einem speziellen Verfahren wird dann für jede Farbe ein Sieb erstellt. Im Anschluss wird die Tapete schonend getrocknet. Dann erfolgt der zweite Druck, bei dem die Tapete erst ihre Aussagekraft erhält.“
DECENT QUALITY
Eintracht-Fan Moosbrugger geht auf die 75 zu, längst wurde er von der Innung für sein Werk mit dem Goldenen Meisterbrief geehrt. Noch führt er gemeinsam mit Ehefrau Sigrun, einer Architektin, den Betrieb. Sie berät die Kund:innen im Bereich Gestaltung und Umbauten. Die vier Kinder gehen Wege abseits der Tapeten-Manufaktur, eine Tochter lebt im Elsass. Von Ruhestand ist bei Moosbrugger keine Rede, alle Fäden laufen bei ihm und seiner Frau zusammen. Faszinierend sind seine Hände, die wahre Bände sprechen. Zupackend, erfahren. „Qualität ist was anständig ist, sagte 1951 der erste Bundespräsident der Bundesrepublik, Theodor Heuss“, gibt er mir noch mit auf den Weg.