PRINTED FUTURE - DIMENSIONS IN 3D

Industrieller 3D-Druck ist einer der großen Technologietrends der Zukunft, denn mit dem additiven, computergestützten Fertigungsverfahren gehen enorme Kosten- und Ressourcenersparnisse einher. Permanent wachsen die Anwendungsfelder, schon heute entstehen Nahrungsmittel im Druckverfahren. THE FRANKFURTER zeigt Beispiele und Visionen eines großen Umbruchs.

Es sollen 100 einstöckige Familienhäuser werden. Ein Dorf aus dem 3D-Drucker. Nachhaltiger, energieeffizienter und schneller bezugsfähig als herkömmliche Wohnhäuser. Nicht weit von Austin/Texas wächst eine Siedlung, die komplett aus 3D-gedruckten Häusern besteht – das Bau-technologie-Unternehmen Icon, führend in den USA im Bereich des 3D-Drucks in größeren Maßstäben, setzt damit erneut ein Statement: Gedruckt, statt Stein auf Stein. Und damit viel günstiger als von Menschenhand gebaut. Da die in der Industrie üblichen 3D-Drucker zu klein sind, kommt ein Mega-Printer namens „Vulcan“ zum Einsatz. Dieser Gigant druckt eine zementbasierte Mischung aus, die in einzelnen Strängen aufgetragen wird und auf diese Weise innerhalb von 24 Stunden ein ganzes Haus „ausspuckt“. Aussparungen für Fenster und Türen, Steckdosen sowie Hohlräume für Versorgungsleitungen werden berücksichtigt. Auch die komplette Küche und Regale können gleich mitgedruckt werden, das spart Zeit für den Innenausbau. Kleiner Haken oder Designvorteil: 100 Prozent glatte Wände gibt es nicht. Stattdessen entfaltet sich eine lebendige Rippen-Struktur. Vorausschauend hat das US-Unternehmen bereits die dauerhafte Besiedlung von Mond und Mars im Auge, wobei, so die Überlegung, Mondstaub und Erden, die auf diesen Planeten reichlich vorkommen, für den Druck von dreidimensionalen Gebäude-Strukturen verwendet werden sollen („Projekt Olympus“).

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LIVING TOMORROW

Auch in Deutschland gibt es bereits das erste gedruckte Einfamilienhaus – mit 160 Quadratmeter Wohnfläche. Das mit dem „German Design Award“ ausgezeichnete Pilot-Projekt des Architektenbüros Mense-Korte im westfälischen Beckum dient Präsentations- und Forschungs-zwecken. „Es ist ein Meilenstein für den 3D-Betondruck. Die charakteristischen Linien der Druckschichten zeigen unverkennbar: Für dieses Haus wurden weder Steine gehoben noch Fertigteile zusammengesetzt. Und das ist erst der Anfang“, ist das Architekturbüro überzeugt. Über das Druckverfahren hinaus zogen neue Innovationen in den Bau ein, etwa die Dämmung des Daches mit einem Recyclingprodukt aus Schaumglasplatten.

NEW SPACES FOR ART

Derzeit bespielt Tobias Rehberger im Kunstmuseum Stuttgart mit der Ausstellung „I do if I don’t“ drei komplette Etagen. Elemente aus Kunst, Design, Musik und Happening zu einer poppig bunten und dabei tiefsinnigen Befragung von Raum, Kunst und Autorenschaft zu mischen, ist das, was den Frankfurter zu einem der spannendsten Künstler weltweit macht. Im Obergeschoss hat er eine Lounge zum Chillen, Essen und Trinken eingerichtet – mittendrin: Sitzmöbel oder vielmehr Skulpturen aus 3D-Druckern, nach Datensätzen aus dem Internet. Die Köpfe von Mao, Lenin, Trump und Nelson Mandela, flankiert von einer Stand-leuchte in Form eines Atompilzes. Man will es als sarkastischen Kommentar zum Internet als großen Selbstbedienungsladen lesen, „in dem es ein-fach Alles gibt – nur keinen Sinn“. Längst haben Künstler:innen erkannt, wie sehr der 3D-Druck die geometrischen Einschränkungen konventioneller Herstellungsverfahren sprengt und neue Freiräume für die Gestaltung schafft. Überall ploppen jetzt Ausstellungen und Kunstaktionen auf, so auch im Sprengel Museum Hannover, wo der Maler Peter Lang unlängst im 3D-Druck eine Cyberplastik der Küste Islands aus Holzkunststoff erstellte.

ENGINEERING

Insbesondere Metalle haben in den letzten Jahren im 3D- Druck eine beeindruckende Karriere gemacht. Die additive Fertigung, beispielsweise in der Automobilindustrie, erlaubt komplexe Modelle ohne zusätzliches, teures Schweißen zu erstellen, die im traditionellen CNC-Verfahren nicht herzustellen wären. Gedruckt wird entweder mit Metallpulvern, die mit einem Polymer gebunden sind, und die man danach im Hochofen sintert. Dabei verflüchtigt sich der Kunststoff und die Metallpartikel verbinden sich.
Oder man druckt mit einer Tintenstrahl- ähnlichen Düsentechnik, um die Metallpartikel mit einem aufgebrachten Harz an der gewünschten Stelle zu fixieren, danach wird das Druckobjekt ebenfalls im Hochofen gebrannt. Große Hitze ist auch notwendig, um etwa Brillengestelle, hergestellt aus feinstem Polyamidpulver, zu finalisieren. Pionier auf diesem Feld ist „Mykita Mylon“ mit der ersten in 3D-Drucktechnologie (hier: „Selective Laser Sintering“, kurz SLS) hergestellten Brillenkollektion. Erreicht wird eine matte, pigmentierte Oberfläche mit organischer Qualität. Nur ein Beispiel dafür, wie die dritte Dimension auch im Produktdesign weiter an Einfluss gewinnt.

FOOD PRINTING

Honey, I‘ve shrunk myself! Jeder kennt die Selfies aus dem 3D-Drucker. 3D-Personen-Scans, die gern als Erinnerung verschenkt werden. Gedruckt sind diese kleinen Spiegelbilder aus Sandstein (Polymergips), „bemalt“ mit Tintenstrahl-Technik und überzogen mit einer schützenden Schicht Epoxidharz. Daneben gehören gedruckte Kaffeetassen, Spielzeug und Fun-Gadgets zum Angebot jedes 3D-Druck-Dienstes, den es online zu finden gibt. Doch dies ist nur die Spitze des Eisbergs, denn die Möglichkeiten des 3D-Drucks sind schier unendlich.

Wenn es um gedruckte Lebensmittel geht, haben viele Produkte das Potenzial, unser Essverhalten in Zukunft umzukrempeln. Was Astronauten recht ist, ist uns Erdenschweren billig: Gerichte aus dem Lebensmittel-3D-Drucker. Noch sind es vor allem Schokoladendekore, Zuckerguss und Fabriknudeln, was Lebensmittelhersteller, Caterer, Hotelküchen und Tortenkünstler:innen aus den Printern holen. Hersteller wie „Mycuisini“ aus dem bayerischen Freising bieten kleine Food-Printing-Geräte auch für den privaten Gebrauch an. Ähnlich wie bei einem Tintenstrahldrucker besitzt jede Zutat im Drucker eine eigene Kartusche, und über Düsen wird das Gemisch auf den Teller gespritzt und erhält Schicht für Schicht die Form, die vorher am Computer festgelegt wurde.

DIGITAL MEALS

Visionäre sind überzeugt, mit dem allgemeinen Gebrauch des Lebensmittel-3D-Drucks könnte der Welthunger besiegt werden. Für Gourmets interessant ist das Projekt „Sushi Singularity“, welches das Unternehmen „Open Meals“ 2019 auf der Messe South by SouthWest vorstellte: den ersten 3D-Drucker für Sushi. Neue Designs und architektonische Strukturen, die Hände niemals so präzise herstellen könnten, seien damit möglich. Zunächst werden im Prozess der digitalen Transformation Lebensmittel – Fleisch und andere biologische Materialien – mit komplexen Algorithmen codiert, die Textur, Geschmack, Hitze oder Geruch berücksichtigen. Anschließend sind die codierten Gerichte online über eine Plattform verfügbar. In Tokyo zeigt man im eigenen Flagship-Restaurant, wo riesige Roboterarme die kunstvollen Sushi produzieren, die faszinierenden Möglichkeiten. Das Unternehmen prognostiziert, dass zwei Arten von Revolutionen stattfinden werden. Die Menschen werden mit Lebensmitteln aus der ganzen Welt digital verbunden sein, und sie würden in der Lage sein, Lebensmittel beliebig herzustellen, zu bearbeiten und zu teilen. Mit den Gesundheitsdaten unseres Körpers und unserer Nahrung verbunden, seien hyperpersonalisierte Lebensmittel möglich. Auch die Gäste des Tokyoter Restaurants müssen vor der Reservierung biologische Proben über ein Gesundheitstest-Kit einreichen, die Daten fließen in die gedruckten Sushis ein.

Neuheiten im 3D-Druck sind auf der Formnext, der internationalen Leitmesse für Additive Manufacturing, in den Frankfurter Messehallen, 15.-18.11.2022, zu sehen. Im Interview: Sascha F. Wenzler, Vice President Formnext beim Messeveranstalter Mesago Messe Frankfurt GmbH.

Worum geht es bei der Formnext?

Sascha F. Wenzler: „Dreidimensionale Gegenstände aus dem ‚Nichts‘ Schicht für Schicht zu erschaffen, klingt zunächst nach Science-Fiction wie das berühmte Holodeck bei Star Trek. Jedes Jahr im November zeigen wir bei der Formnext, dass diese Technologie eben nicht der Feder eines kreativen Autors entsprungen ist, sondern bereits heute viele Möglichkeiten bietet und schon in vielen Branchen Anwendung findet. Additive Manufacturing (AM), also industrieller 3D-Druck, ist das Thema der Formnext, dem weltweiten Messehighlight einer hochinnovativen Branche und Community.”

Welche Trends liegen vorn?

„Der Trend im 3D-Druck geht klar zur industriellen Fertigung. Ob in der Luft- und Raumfahrt, im Automobilbau, Medizintechnik oder Maschinenbau bis zur Schmuckanfertigung oder Schiffen und Ölplattformen und vielem mehr, die Anwendungen und Produkte aus Additiver Fertigung in Metallen, Kunststoffen, Keramik, Glasfaser oder auch Glas und selbst Holz nehmen rasant zu. Besonders in den letzten zwei Jahren und in Anbetracht der Disruption globaler Lieferketten, kommt den Themen ‚digital warehouse‘ und dezentraler Produktion eine besondere Bedeutung zu. Dass Lieferketten aber nicht von heute auf morgen komplett mit 3D-Druck ersetzt werden können, ist wohl richtig. Jedoch ist AM ein essentieller Baustein, Lieferketten resilienter und auch nachhaltiger zu gestalten.“

BONES & HEARTS

Printer, die Schicht für Schicht lebendige Zellen drucken, sind Vorhut von dem, was künftig möglich sein wird. Im Bioprinting-Verfahren gelang es bereits, einen Fisch zu kopieren, der fast so schmeckt wie ein richtiger Fisch. Hierfür wurden Muskelzellen und Proteinkleber verwendet. Ist in naher oder ferner Zukunft das Print-Fleisch von Fisch, Rind und Co. kommerziell erhältlich und in einem nächsten Schritt auch zuhause herstellbar, könnte dies die Massentierhaltung um ein Vielfaches verringern.

Zahnkronen, Hörgeräte, Prothesen (Hand, Ohr, Nase) sowie chirurgische Instrumente und Tabletten werden schon länger im 3D-Druckverfahren hergestellt. Bald werden Patient:innen in den Praxen von Ästhetischen Chirurg:innen eine 3D-Version des zukünftigen Gesichtes anfassen können. Gedruckte Anatomiemodelle, erstellt aus Scandaten der Patient:innen, werden viele Operationen und deren Planung optimieren. Früher oder später wird der Druck von funktionalen Organen und Transplantaten, Haut, Hornhäute, Adern und Knochen völlig normal sein. Pionierleistungen waren vor einigen Jahren eine funktionsfähige Niere und das erste vollständige 3D-Herz aus biologischen Materialien eines Erkrankten. In absehbarer Zukunft könnten durch die Bioprint-Medizin neue und übermenschliche Fähigkeiten, etwa elastische Knochen, geschaffen werden.

Interview

Neuheiten im 3D-Druck sind auf der Formnext, der internationalen Leitmesse für Additive Manufacturing, in den Frankfurter Messehallen, 15.-18.11.2022, zu sehen. Im Interview: Sascha F. Wenzler, Vice President Formnext beim Messeveranstalter Mesago Messe Frankfurt GmbH.

Worum geht es bei der Formnext?

Sascha F. Wenzler: „Dreidimensionale Gegenstände aus dem ‚Nichts‘ Schicht für Schicht zu erschaffen, klingt zunächst nach Science-Fiction wie das berühmte Holodeck bei Star Trek. Jedes Jahr im November zeigen wir bei der Formnext, dass diese Technologie eben nicht der Feder eines kreativen Autors entsprungen ist, sondern bereits heute viele Möglichkeiten bietet und schon in vielen Branchen Anwendung findet. Additive Manufacturing (AM), also industrieller 3D-Druck, ist das Thema der Formnext, dem weltweiten Messehighlight einer hochinnovativen Branche und Community.“

Welche Trends liegen vorn?

„Der Trend im 3D-Druck geht klar zur industriellen Fertigung. Ob in der Luft- und Raumfahrt, im Automobilbau, Medizintechnik oder Maschinenbau bis zur Schmuckanfertigung oder Schiffen und Ölplattformen und vielem mehr, die Anwendungen und Produkte aus Additiver Fertigung in Metallen, Kunststoffen, Keramik, Glasfaser oder auch Glas und selbst Holz nehmen rasant zu. Besonders in den letzten zwei Jahren und in Anbetracht der Disruption globaler Lieferketten, kommt den Themen ‚digital warehouse‘ und dezentraler Produktion eine besondere Bedeutung zu. Dass Lieferketten aber nicht von heute auf morgen komplett mit 3D-Druck ersetzt werden können, ist wohl richtig. Jedoch ist AM ein essentieller Baustein, Lieferketten resilienter und auch nachhaltiger zu gestalten.“