ONE, TWO, THREE KINDS OF ART

"Mischpoke" heißt ihr gemeinsames Kunstprojekt. Die Frankfurterin Anna Nero (* 1988 in Moskau) ist Künstlerin wie ihre Mutter und Großmutter. Zu dritt verdreifachen sie Reflexion und jüdischen Humor.

Großmutter, Mutter und Enkeltochter: Drei Generationen von jüdischen Frauen, die ihr Leben der Kunst gewidmet haben. Kein Roman, sondern die Lebensgeschichte der Künstlerin Anna Nero, die gemeinsam mit ihrer Großmutter Tatiana Ovrutschski und ihrer Mutter Julia Ovrutschski 1995 als Kontingentflüchtling aus Russland nach Deutschland kam. Später studierte sie an der Kunsthochschule in Mainz und an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst. Alle drei Frauen sind Künstlerinnen und leben heute in ihrer Wahlheimat Frankfurt. Galeristin Heike Strelow sprach mit Anna Nero über diese besondere Konstellation und ihre Identität als Frau, Jüdin und Künstlerin. Anna Neros Malstil: geometrisch, kontrolliert, witzig und voller sexueller Anspielungen.

Heike Strelow: Anna, schon nach unserem ersten Gespräch bist du mir als selbstbewusste, feministisch denkende Künstlerin im Kopf geblieben. Verdankst du dieses Selbstverständnis deiner Mutter und Großmutter?

Anna Nero: "Ja, definitiv. Ich verdanke meiner Mutter und Großmutter die Berufswahl und auch das Selbstverständnis als Künstlerin. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen müssen sich ihrer Familie gegenüber rechtfertigen, was ihre Profession angeht. Ich hingegen hatte das Privileg, verstanden und unterstützt worden zu sein. Hinzu kommt, dass meine Familie aus der Sowjetunion kommt und es dort immer selbstverständlich war, dass Frauen berufstätig sind."

Zurzeit plant ihr eine gemeinsame Ausstellung und einen Katalog im Rahmen des Festjahres "1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland". Ihr seid Malerinnen, eure künstlerischen Ansätze sind jedoch verschieden. Wo siehst du eure Gemeinsamkeiten, was verbindet euch?

"Man könnte es vereinfachen und sagen: Meine Großmutter malt figurativ, ich male abstrakt, meine Mutter ist irgendwo dazwischen. Aber für mich sind Begriffe wie figurativ oder abstrakt nicht wirklich relevant. Uns verbindet, dass wir die Welt um uns herum durch die Linse der Malerei wahrnehmen und reflektieren. Und diese Wahrnehmung ist geprägt von gemeinsamen Erfahrungen: Frau sein, Migration, die Zugehörigkeit zu einer Minderheit."

Du bist in einer russisch-jüdischen Familie aufgewachsen, damit zwischen zwei so unterschiedlichen Konzepten wie Bildverehrung und Bildverbot. Spiegelt sich das auch in deiner Arbeit wieder?

"In meiner Arbeit lote ich den Grat aus Darstellung und Abstraktion aus. Bereits meine Diplomarbeit widmete sich dem Thema Fetischismus und Objektverehrung. Während man im orthodoxen Christentum Ikonen küsst und verehrt, lehnen andere Religionen (und Teile des Christentums) dies als Götzenanbetung ab. Für mich ist das eine zentrale Frage der Malerei - ob sie mehr ist als Stoff und Farbe, ob sie überhaupt mehr sein kann."

"Mischpoke", so lautet der Titel eures gemeinsamen Projekts, er ist aber auch ein Begriff, der für mich mit einer augenzwinkernden Ironie verbunden ist. Wie wichtig ist für dich Humor in der Kunst?

"Humor spielt sowohl in der jüdischen Kultur als auch in meiner Familie eine große Rolle. Ich wollte das immer in meine Arbeit übertragen. Augenzwinkern, Ironie, Parodie und Bildwitz. Ich habe nämlich keine Lust, so strenge formale Wichtigtuer-Kunst zu machen. Das ist eher was für Männer.

Ich habe keine Lust, Wichtigtuer-Kunst zu machen. Anna Nero

Ihr lebt alle drei in Frankfurt, du bist nach deinem Studium und verschiedenen Auslandsaufenthalten hierher zurückgekommen. Was hat dich dazu bewogen?

"Das ist eine gute Frage. Mit Frankfurt war es lange wie in einer komplizierten Liebesbeziehung - man kann nicht mit, aber auch nicht ohne. Ich schätze die Stadt sehr für ihre Multikulturalität. Aber manchmal kommt sie mir vor wie ein Dorf. Am Ende entschied ich mich für die Liebesbeziehung mit meinem kleinen Bockenheim."