Ein solides, aber nicht unkompliziertes Börsenjahr läuft ab. Das kommende Jahr könnte noch herausfordernder werden. Börsenexpertin Sissi Hajtmanek blickt exklusiv mit wichtigen Kapitalmarktstrategen im THE FRANKFURTER-Special auf die Konjunktur und das Börsenjahr 2022.
Pandemie, Lieferschwierigkeiten, hohe Inflation, Null oder Minuszinsen – bleibt uns das alles erhalten? Und wie stecken Unternehmen und Anleger das weg? Die Wogen könnten sich in vielerlei Hinsicht glätten in 2022, die Produktionsmaschinen wieder weniger stottern, die Inflation moderater werden und die Zinsen ...? Lassen wir das. Auf nennenswerte Zinsen wird man auch in 2022 kaum hoffen dürfen.
Volatilität wird das Thema an den Kapitalmärkten im Jahr 2022. Gold und Aktien werden beide stark schwanken, aber jeweils in die entgegengesetzte Richtung. Das schafft in der Summe Stabilität. Dr. Gertrud Traud; Chefvolkswirtin, Helaba
SUPPLY PROBLEMS
Das neue Angstwort heißt „Lieferkettenprobleme“. Viele Unternehmen leiden seit Monaten darunter, dass sie die Nachfrage nicht befriedigen können, weil ihnen dringend benötigte Rohstoffe oder Halbleiter fehlen. Die Produktionen stocken, werden teilweise ganz ausgesetzt, und Kunden warten Wochen oder Monate auf bestellte Ware. Die Folgen der Pandemie durch die getroffenen Maßnahmen lasten hier schwer. In 2022 wird es also auch darauf ankommen, wie deutlich das CoronaVirus zurückgedrängt werden kann, so dass der Lieferfluss wieder ungehinderter fließen kann.
INFLATION - AN OLD FEAR IS GOING AROUND
TIME FOR SOME INTEREST?
Ich gehe davon aus, dass sich sowohl die Corona-Pandemie als auch die Probleme bei den Lieferketten und den Energiepreisen im Laufe des kommenden Jahres relativieren werden. Dr. Ulrich Stephan; Chefanlagestratege, Deutsche Bank
STOCK MARKETS AT THE PEAK?
Umso wichtiger ist es, die Aktienmärkte in den Blick zu nehmen. Viele haben das Gefühl, nach der Aufholjagd der letzten anderthalb Jahre könnte jetzt schon alles gelaufen sein. Doch die führenden Wirtschaftsinstitute prognostizieren in ihrem Herbstgutachten für Deutschland nach einem BIP von rund 2,4 Prozent in 2021 ein stärkeres Jahr 2022: Rund 4,8 Prozent soll die deutsche Wirtschaft da wachsen.
Und auch mit Blick auf die Weltwirtschaft sind Experten weiter positiv gestimmt. Dr. Ulrich Stephan, Chefanlagestratege der Deutschen Bank, erwartet in 2022 ein „sehr robustes Wirtschaftswachstum“ für die Weltwirtschaft: „Nach einer rekordverdächtigen Entwicklung von vermutlich knapp 6 Prozent in diesem Jahr, könnte die Weltwirtschaft im kommenden Jahr immerhin um 4,5 Prozent zulegen.“ Das könnte in 2022 für Aktienmärkte weiter Luft nach oben bieten.
CHINA - AN ECONOMIC LOCOMOTIVE SLOWS DOWN
Von großer Bedeutung werden auch in 2022 die wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen in China sein. Allein für Deutschland ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt inzwischen der wichtigste Handelspartner. Derzeit verliert Chinas Wirtschaft jedoch zusehends an Fahrt. Dr. Gertrud Traud, Chefvolkswirtin und Leiterin Research der Helaba, erwartet weitere Bremsspuren: „China bleibt die Lokomotive der Welt, allerdings nimmt die Geschwindigkeit nicht mehr so schnell zu wie noch in diesem Jahr mit 8,0 Prozent. Im Jahr 2022 erwarten wir ‚nur‘ noch ein Wachstum von 5,5 Prozent.“
Sowohl in Deutschland als auch in den USA dürften sich die Aktienmärkte gut entwickeln. In den USA hängt das von den Staatsausgaben ab, in Deutschland vom Kurs der neuen Bundesregierung. Dr. Martin Lück; Chefanlagestratege, Black Rock
US HOPES FOR A TRILLION DOLLAR PACKAGE
Die größte Volkswirtschaft der Welt wird ein starkes Jahr beschließen und mit viel Hoffnung in das neue gehen. Auch in den USA kämpfen die Unternehmen zwar mit erheblichen Lieferschwierigkeiten und das Wachstum verlangsamt sich etwas. Aber die Billionen DollarInvestitionen, die Präsident Joe Biden versprochen hat, warten noch auf Umsetzung. Für Dr. Martin Lück ein großer Treiber: „Die USA könnten vom neuen Ausgabenpaket der Biden-Regierung einen weiteren Wachstumsschub erhalten.“ Wenn es so käme, wäre es das größte Paket, das es jemals in den USA auf einen Schlag gegeben hätte. Der Aktienmarkt könnte erheblich davon profitieren.