NEW ORIGAMI - THE ART OF PAPER FOLDING

Wenn Ende Januar 2022 die Messe Paperworld alle Trends und Neuheiten rund um Papier, Bürobedarf und Schreibwaren präsentiert, finden auch Origami-Enthusiasten die frischesten und ungewöhnlichsten Natur- und Feinstpapiere für die hohe Kunst des Faltens. Origami erlebt einen neuen Boom – und selbst beim Wohndesign mischen Faltobjekte jetzt mit.

Hut, Boot, Papierflieger. Doch Origami, die Faltkunst aus Japan, ganz ohne Schere und Kleber, ist weit mehr als ein Pausenfüller. Jahrhunderte der östlichen Philosophie fin­den darin Ausdruck, manchen Objekten sagt man sogar Heilkraft nach. Der Kranich („Orizuru“) etwa gilt als glücks­bringend und verspricht ein langes Leben – „Senbazuru“ nennt man die Ansammlung von 1.000 Kranichen: dem fleißigen Falter werden danach Wünsche erfüllt. Vielleicht ist es Zufall, dass „kami“, das japanische Wort für „Papier“ auch „Gott“ bedeutet. Faltkunst-Liebhaber sollten eine Reise nach Tokyo mit dem Besuch des Origami­-Museums (Origami Kaikan) verbinden, wo über 100.000 Objekte, darunter Werke berühmter Meister, ausgestellt sind. Das raffinierte Falten hat in Japan auch bei Stoffen eine lange Tradition, so beim Kimono oder dem „Furoshiki“, einem quadratischen Tuch, das, gefaltet und geknotet, als Verpa­ckung und Tragebeutel dient.

Zu Beginn war Origami nur den höheren Ständen Japans vorbehalten, denn Papier war kostbar. Revolutioniert wur­de das Brauchtum erst durch den Großmeister Akira Yoshi­zawa (1911­2005) – der Begründer des modernen Origami schuf abertausende neue, teils hochkomplexe Modelle und führte gedruckte Falt-­Diagramme ein, nach dem heutige Origami-­Anleitungen verfasst werden. Auch die Erfindung des „Nassfaltens“ (Wet-­Folding) geht auf sein Konto. Hier­bei wird das Papier vor dem Falten angefeuchtet, wodurch runde und skulpturale Formen möglich sind.

OFTEN WEEKS OF WORK

Origami hat sich zur modernen Kunstform entwickelt und Galerien rund um den Globus stellen spektakuläre Falt­kreationen aus. Als unangefochtene „Königin“ aus dem Heimatland des Origami gilt die Papierkünstlerin Tomoku Fuse. Ihr Ziel bestehe nie darin, erklärte sie einmal, einem Papier eine Form aufzuzwingen, sondern eher das Gegen­teil, nämlich die erstaunliche Form zu entdecken, die durch ihr Falten entsteht.

Die Dimensionen der dreidimensionalen Kunstobjekte können enorm sein, von lebensgroßen Kranichen und Nas­hörnern bis hin zu raumfüllenden Installationen. Gerade junge Origami­-Künstler wie der Schweizer Sipho Mabona loten hier meisterhaft die Möglichkeiten der uralten Tech­nik aus. Für Aufsehen sorgen Mabonas riesige Tiere, etwa „The White Elephant“ – gefaltet aus einem 30 Quadratme­ter großen Stück Papier. Vier Wochen dauerte es, bis der Koloss vollendet war.

Andere Könner, darunter der US­-Amerikaner Michael Hall oder der junge Finne Juho Könkkölä, konzentrieren sich aufs kleine Format und kreieren nach eigenen Plänen abso­lut verblüffende Kunstwerke, die hohe Preise erzielen. “Ich mache viele Dinge anders als andere, von der Papierher­stellung bis hin zur Gestaltung und dem Falten des letzten Schliffs“, deutet Könkköla das Geheimnis seiner detailrei­chen Samurai-­Krieger an, und spannt den Bogen: „Auch wenn viele Künstler die gleichen grundlegenden Prinzipi­en und Techniken anwenden, die Origami erfordert, machen uns die Nuancen im Prozess einzigar­tig.“ Papier hat bei ihm mit Geduld zu tun, wie er THE FRANKFURTER verrät: „Die Zeit, die ich für die Herstellung einer Figur benötige, ist sehr unterschiedlich. Einige Stücke kann ich in ein paar Wochen oder sogar in ein paar Tagen erstellen, aber die schwierigsten Kreationen können Jahre dau­ern, bis sie die zahlreichen Wiederholungen und Versuche durchlaufen haben, meine Vision zu erfüllen. Für eine typi­sche Figur brauche ich zwei Wochen für den Entwurf und nochmal zwei Wochen für das Falten.“

FRANKFURT PAPERWORLD

Unter dem Titel „Together“ präsentieren sich die Leitmes­sen Paperworld und Christmasworld auch in 2022 gemein­sam in den Frankfurter Messehallen (28.01./29.01.­01.02.). Die Paperworld bietet das weltweit größte Sortiment für den gewerblichen Bürobedarf und den privaten Papier­ und Schreibwarenbedarf. Die Christmasworld ist die weltweit größte Trend­ und Orderplattform der internationalen De­ko­ und Festschmuck­-Branche.

Wofür begeistern sich die Konsumenten? Welche Trends kündigen sich an? Dies zu analysieren und in Key-­Trends für die Paperworld/Christmasworld zu formulieren, ist die Aufgabe des Stilbüros bora. herke. palmisano, das seinen Sitz in Frankfurt hat. Die namengebenden Trendscouts – Cem Bora, Claudia Herke und Annetta Palmisano – filtern aus dem weltweiten Dschungel von Produkt-Neuheiten die stilprägendsten, wichtigsten und Trend­bestimmenden Designs heraus. Für THE FRANKFURTER gaben sie einen Vorgeschmack auf die Paperworld und die Neuheiten bei Papieren und Origami.

Origami ist ein weites Feld. Spannend ist der Einzug der Falttechnik ins Wohn- und Alltagsdesign. Haben Sie Favoriten?

Stilbüro bora. herke. palmisano: „Ein Projekt, das wir in unseren Paperworld Trends vorstellen, ist das ‚BAUX Pulp Panel Origami Pulse by Form Us With Love for BAUX‘. Hier wird eine Brücke zwischen Kunst, Natur, Wissenschaft und Technologie geschlagen – mit dem Ziel, umweltfreundliche Materialsysteme zu schaffen. ‚Acoustic Pulp‘ ist inspiriert von der Technik des Papierfaltens, um eine akustisch per­fekte Umgebung zu erzeugen. Die Oberfläche der Platten ist mit einer innovativen Lasertechnik nano­perforiert. Dadurch dringen Schallwellen in diese Waben­-Kammern ein und werden dort eingefangen. Anstelle von Farbstof­fen, werden die Paneele mit gentechnik­freier Weizenkleie eingefärbt. Auf Wandflächen installiert, bietet das Materi­al eine erholsame Akustik in Gemeinschaftsbereichen wie Büros, Restaurants oder Schulen. Der Werkstoff besteht zu 83 Prozent aus Holzfasern – einem Nebenprodukt aus der industriellen Holzverarbeitung.

Ein weiteres Projekt, das uns sehr beeindruckt, basiert ebenfalls auf der Kunst des Papierfaltens, die in Japan eine lange Tradition hat. Dasselbe gilt für das Bento, eine Mahl­zeit zum Mitnehmen. Heute bestehen Bento­-Verpackungen zumeist aus Kunststoff und sind, man kennt es hierzulan­de von Sushi zum Mitnehmen, mit einem transparenten Deckel versehen. Diese Bento-­Box aus Papier lässt sich – bevor sie weggeworfen wird – auf eine kompakte Größe zusammenfalten. Die Box kommt zu einer Zeit, in der Es­sen zum Mitnehmen und Liefern aufgrund der anhaltenden Corona­-Pandemie, beliebter ist denn je. Die Boxen sind aus funktionalem, gegen Wasser und Fett beständigem Karton hergestellt und so gestaltet, dass sie aus einem einzigen Blatt gefaltet sind – ohne Einschnitte. So kann nichts aus der Box herauslaufen. Hat man aufgegessen, lässt sich das Behältnis dank entsprechender Linien auf dem Karton so klein zusammenfalten, dass es in den Deckel passt, der als Etui dient. Essstäbchen können ebenfalls in eine dafür vor­gesehene Tasche gesteckt werden. Ken’ya Hara, von ihm stammt der Entwurf, ist einer der einflussreichsten japani­schen Designer und Graphiker und er betont die Einfachheit und Schlichtheit bei Dingen des täglichen Gebrauchs.“

Welche Neuheiten werden wir bei der Paperworld sehen?

„Der Trend der Naturpapiere geht weiter, wir erwarten eine neue Welle handgefertigter Produkte, handwerklicher Ver­zierungen, charakteristischer Details und handwerklicher Herstellung. Gerade beim Papier setzen wir auf Handwerk und Taktilität sowie auf handwerkliche Naturpapiere mit hohen Recyclinganteilen. Dabei ist der sichtbare Charak­ter von Naturpapieren gewünscht. Unserer Meinung nach, geht kein Weg an umweltschonend produziertem Papier sowie umweltfreundlichen Feinstpapieren vorbei. Im Trend liegen ungestrichenes Papier, das eine matte ungekünstel­te Haptik hat, naturweiße Oberflächen, die ohne optische Aufheller auskommen, und Büttenpapiere mit typischem Büttenrand, weicher Haptik und unverkennbarer Struktur. Die Qualität der Papiere bleibt hochwertig, im Zuge der Di­gitalisierung achten wir bei Papier auf hochwertige Druck- ­und Papierqualitäten, Offsetdruckverfahren für hochwer­tige Druckerzeugnisse, gerne mit dezenten Wasserzeichen – auch bei Inkjet und Laserdruck.

Darüber hinaus setzen wir auf traditionelle handwerklich erstellte Papiere – wie die Nepalpapiere, die aus der inne­ren Rinde des Lokta­-Strauchs handgefertigt werden. Da sie schnell nachwächst, stellt es eine erneuerbare Ressource für die Kunsthandwerker dar, die für ihren Lebensunterhalt auf das fragile Ökosystem Nepals angewiesen sind. Der Er­lös aus dem Verkauf der Papiere fließt an die Kooperativen zurück, die das Papier herstellen und unterstützt so direkt die Arbeiter in den ländlichen und städtischen Gebieten Nepals.“