Die Legende lebt weiter. Auch wenn sie ihre „Letzten Worte“ angekündigt hat. THE FRANKFURTER traf den Rapper und Musikproduzenten Moses Pelham im Restaurant Leuchtendroter zum veganen Lunch.
BITTER SWEET
Erstaunlich schnell sind wir im Gespräch bei Vergänglichkeit und bei dem, was bleibt. Draußen ist es Grau in Grau und es regnet in Strömen, was solche Gedanken subtil befördert. Moses Pelham stellt sich viele Fragen über das Ende. Am 21. Dezember, zufällig die Wintersonnenwende und somit die „längste Nacht“ des Jahres, will der Deutschrap-Pionier sein allerletztes Konzert geben, selbstredend in seiner Heimatstadt Frankfurt. „Letzte Worte“, so der Titel, soll das finale Album sein. Geplant habe er seinen Abschied schon länger, über einige Jahre, sagt er. Eine „intensive Reise“ bei der Sichtung und Ordnung vergangener Dinge liege hinter ihm. „Ich will es geil zu Ende bringen, mit Aufmerksamkeit und Detailliebe. Das Werk und der Weg, den man zusammen gegangen ist, brauchen einen vernünftigen Abschluss, eine Krönung.“ Das wolle er zelebrieren. „Ich stelle mir das letzte Konzert sehr bittersüß vor. Doch trotz des Abschieds wird es auch eine Feier des Lebens sein.“ Zwei Tage vor unserem Lunch feierte das erste Album seines Plattenlabels „pelham power productions“ (3p) das 30-jährige Jubiläum. Eine Generation her, wenn man so will. Time flies. Was soll auf seinem Grabstein stehen, irgendwann? „Es wäre mir lieber, man würde mein Grab nicht kennen. Wenn niemand weiß, wo ich dann liege.“ Zu sterben hat er noch lange nicht vor, nur eben das vollendete Werk verabschieden. Man ahnt, was er vermissen wird: „Es ist diese Art auf die Welt zu schauen. Mein starkes Bedürfnis, etwas Dringliches mitzuteilen. Wie ein zum Tode Verurteilter, der mit letzter Kraft etwas in die Wand kratzt, damit diese Information nicht verloren geht.“ – „Für die is‘ das hier gerade ein Piano und Gesinge, sonst nichts – Die haben keine Ahnung von wie dringend das is‘“ („Weiße Fahne“ aus dem Album „Emuna“). Sind Sie ein Philosoph, Herr Pelham? Kurze Pause. „Vielleicht.“
PARS PRO TOTO
Uns schmeckt’s. Das Leuchtendroter im Frankfurter Ostend ist ein angesagter Liebling der Veganer:innen – unkompliziertes Fine-Dining im gemütlich-stylischen Hotelambiente. Moses Pelham hat selbst ein veganes Kochbuch geschrieben, in dem er seine Lieblingsrezepte teilt. Seit zehn Jahren lebt er vegan, zuvor war er lange Vegetarier. „Kochen entspannt mich, es ist wie ein Liebesdienst sich selbst gegenüber.“ Sein Geheimnis: „Nicht zu viel Geschiss machen. Das ist eine Parallele zum Musizieren: Sich nicht so wichtig nehmen.“ Er isst keinen raffinierten Zucker. Die köstlichen Nuss-Nugat-Hörnchen, die mit anderen Zuckerverlockungen unser veganes Menü beschließen werden, sind für ihn also tabu. Sein Rezeptbuch vermarktet Moses Pelham im eigenen Online-Shop, ebenso wie eine 3p-gebrandete Küchenschürze, Socken, T-Shirts und Wein. Pars pro toto, ein Teil fürs Ganze. Fans lieben so etwas. „Beim Wein probiere ich mich quer durch, bis ich den gefunden habe, der mir am allerbesten schmeckt. Im Moment ist das auch Naturwein.“ Bei Winzer:innen, unter anderem aus der Pfalz, lässt er seine vegan verarbeiteten Favoriten mit „Moses Pelham“-Etikett versehen. Neue Ideen? „Ich könnte mir vorstellen, einen gescheiten Schnaps zu vermarkten.“
NO BAD GUY
„Das geht Sie nichts an.“ Hoppla. Ruhig sagt er das. Man erkundigt sich vorsichtig nach Privatem und bekommt eine klare Ansage. Wirklich Intimes über ihn ist rar in der Presse. Und er ist ein alter Hase im Umgang mit den Medien. „Ich schotte mich nicht ab“, wiegelt er ab, aber: „Ich ziehe Grenzen“. War er mal der „liebste Bösewicht des deutschen Raps“, wie ein uralter Beitrag titelte? „Das ist dummes Geschwätz!“, beschließt er das Thema. Dass sein Vater, ein Bluesmusiker, die Erfolge des Sohns noch miterlebte, erzählt er uns dann doch noch: „Das freute mich, dass er das sah. Seine Konzerte erlebte ich schon als Kind.“ Und dass man ihn für das RTL-Format „Dschungelcamp“ anfragte. „Der Form halber, man wusste, ich würde das ablehnen“, lächelt Moses Pelham. Im Städel Museum sei er gern und die Alte Oper wie ein Magnet für ihn. „Irgendwas zieht mich an. Als ich dort 2012 zum ersten Mal auftrat, war mir so richtig feierlich zumute. Die Alte Oper war für mich schon immer ein Frankfurter Wahrzeichen. Ich erinnere mich auch an einen Auftritt der „Furious Five“ im Mozartsaal der Oper, das muss 1987 gewesen sein.“ Im Jahr darauf veröffentlicht der damals 17-Jährige seine erste kommerzielle Solo-Single „Twilight Zone“, die so cool wie eine US-Produktion klang und aus den Ghettoblastern dröhnte, wenn die Kids durch die Straßen zogen. Die Single schoss auf Platz 21 der deutschen Media-Control-Charts. Zwei Jahre später gründete er seine eigene Produktionsfirma und bewies sein Talent als Macher. Er betreute die Rapperin Sabrina Setlur musikalisch, produzierte Xavier Naidoo und später die eigene Soulband Glashaus mit Sängerin Cassandra Steen. „This rhyme you hear ist just an illusion …“
WHEN A SONG SAVES A LIFE
Die Goethe-Plakette, eine der angesehensten Auszeichnungen der Stadt Frankfurt, wurde ihm 2017 verliehen. In seiner Dankesrede im Kaisersaal des Römers, bringt er die Liebe für „seine“ Stadt zum Ausdruck, „wo ich zur Schule ging und Lehrer wie Mitschüler mit meinen ersten Reimen belästigte. Es soll in der Bettinaschule noch immer Bänke geben, auf denen meine Reime stehen.“ Wortgewandtheit zeichnet ihn bis heute aus. Wäre er nicht Musiker geworden, stünde er heute vor Gericht – als Anwalt oder Richter. Jurist war sein ursprünglicher Berufswunsch. „Schon relativ früh wollte ich das.“
Offizielle Ehrungen seien eine schöne Sache, die ihn stolz machten, sagt er, doch echtes Nachwirken bedeute für ihn mehr: „Wenn mir Menschen schreiben, dieses Lied hat mein Leben gerettet, und ich denen das glaube, macht das nochmal etwas anderes mit mir, als eine Auszeichnung wie die Goethe-Plakette zu bekommen.“
BEING IMMORTAL – FOR NOW
Ratschläge an junge Rapper:innen will er nicht geben. „Die Situation heute ist eine ganz andere als damals. Vieles was mich daran reizte, finde ich jetzt nicht mehr. Ich gebe jungen Menschen nicht irgendwelche Ratschläge, für die ich die Verantwortung nicht übernehmen kann. Außerdem kann man so lange auf einen 20-Jährigen einreden, wie man will. Er wird immer glauben, unsterblich zu sein. Das gehört zu diesem Alter.“
Zwanzigjährige werden immer glauben, unsterblich zu sein. Moses Pelham
Der Regen hat aufgehört. Moses Pelham verabschiedet sich. „Ich werde springen, wie vom Drei-Meter-Brett“, sagt er und meint sein Konzert zur Wintersonnenwende und die Stufen hoch zur Bühne. Es sei sein allerletztes, versichert er. Das haben schon andere Künstler:innen verkündet und kamen doch zurück, entgegen wir. „Das Gleiche hat mein Konzertveranstalter gesagt.“