MORE BEAUTY, PLEASE!

Die New Yorker Grafikdesigner Stefan Sagmeister und Jessica Walsh plädieren mit ihrer Ausstellung „Beauty“, die im Museum Angewandte Kunst zu sehen war, dafür, sich im Zusammenhang mit Design und Architektur wieder mehr der Schönheit zu widmen. Und das ausgerechnet im Bauhaus-Jubiläums-Jahr! Eine Attacke auf die Moderne? Oder schlicht ein kluger Schachzug, um Besucher zu locken? Immerhin ist die Ausstellung auf Interaktion ausgelegt, man soll abstimmen, ob bestimmte Dinge als „schön“ empfunden werden oder nicht. „Beauty“ provoziert und polarisiert. Grund genug für unsere Autorin Martina Metzner, sich mit Stefan Sagmeister über seine neue Schau, Frankfurt und die Kraft von Grafikdesign zu unterhalten.

Die Weltbevölkerung befindet sich in schwierigen Zeiten. Ist es da nicht unangemessen, sich mit Schönheit zu beschäftigen?

Ich glaube, dass es uns trotz aller Katastrophen-Meldungen so gut geht wie noch nie. Also, ich lebe viel lieber heute als wie vor 50 Jahren. Doch weil wir eine Amygdala haben und daher mehr auf negative als auf positive Nachrichten ansprechen, wird uns das nicht immer klar. Jessica und ich haben uns für die Schönheit entschieden, weil wir mit diesem Thema den größten Unterschied machen können. Im weiteren Sinne kann die Schönheit eine gute Strategie zur Nachhaltigkeit sein, weil schöne Dinge viel länger halten.

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Sie beschreiben, Schönheit sei empirisch nachweisbar – doch Schönheitsideale verändern sich im Laufe der Zeit.

Ich muss widersprechen. Es gibt erstaunlich große Übereinstimmungen über die Zeit hinweg, was Schönheit angeht, die aus der Evolutionstheorie kommen. Die meisten Leute empfinden Blau als die schönste Farbe und den Kreis als die schönste Grundform. Natürlich verändert sich die Definition auch nach individuellen Dingen: Wieviel hat man selbst, was hat meine Kultur alles schon gesehen? Es ist eine sehr persönliche Ausstellung, in der es sehr viel um die Meinung und die Erlebnisse von Jessica und mir geht. Auf der anderen Seite holen wir uns wissenschaftliche Arbeiten oder die Arbeiten anderer Künstler herein.

Die Spur zum Mysterium der Schönheit führt erst einmal zum Begriff der Symmetrie…

Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen von meinem Freund, dem Psychologen und Wissenschaftler Doktor Helmut Leder aus Wien, die gezeigt haben, dass die meisten Leute symmetrische Dinge lieben. Die Experten lieben die leichte Nicht-Symmetrie.

Das Bauhaus und die Moderne hätten die Schönheit abgeschafft, erfährt man in der Ausstellung…

Nein, das sage ich nicht. Den Leuten, die das Bauhaus geleitet haben, war die Form sehr wichtig. Das war die zweite und dritte Generation, die viele der Ideen des Bauhauses missverstanden und daraus einen ökonomischen Funktionalismus gemacht haben. Und den bekämpfen wir. Ob das jetzt die Sicherheitskarten im Flugzeug sind, die nicht funktionieren, weil sie die Leute nicht anschauen. Oder ob das Wohnblöcke sind, in denen die Menschen nicht wohnen wollen.

Beauty is a combination of shape, form, color, composition, material and texture to please the aesthetic senses, especially sight.

Sie kommunizieren per Instagram. Die Macht des Bildes nimmt zu. Was halten sie von Influencern? Berühmt werden, nur weil man schön ist?

Bei Instagram gibt es wahnsinnig viel Gutes und wahnsinnig viel Schlechtes. Im Vergleich zu anderen sozialen Medien finde ich es positiver. Es gibt auf Instagram weniger Aggressionen als auf Twitter. Der Neid ist aber ein großes Problem. Dass alles schöner fotografiert wird wie es wirklich ist.

Was finden Sie an Frankfurt schön?

Für mich ist das Beste, dass vieles zu Fuß erreichbar ist, dass es eine dichte Stadt ist. Ich war lange nicht in Frankfurt. Ich kannte nur Berlin, Hamburg und München. Und war dann immer sehr überrascht, wie gut es mir hier gefällt und wie gut die Museumskultur hier ist.

Kann Grafikdesign das Leben verbessern?

Ich weiß, dass Grafikdesign das Leben verschlechtern kann. Berühmtestes Beispiel ist der Wahlzettel zwischen Bush und Gore vor acht Jahren, der uns den Irak-Krieg und vieles anderes gebracht hat. Wenn der besser gestaltet worden wäre, hätten wir Gore als Präsidenten bekommen und es würde uns sicher besser beim Global Warming gehen. Und so ist es natürlich bei vielen Gebrauchsdingen: Wir gewöhnen uns an die Dinge, die funktionieren und erleben sie erst, wenn sie nicht mehr funktioniert.

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