MODERN-CLASSIC-CHILL

Ästhetisches Zufallsprinzip? Nichts für den Entrepreneur, der sich im Onyx-Tower ein Domizil mit französischen und englischen Einflüssen geschaffen hat. Wir meinen, Perfektion ist hier der Motor, das Spiel mit Brüchen ein Kalkül.

Der Concierge in der imposanten Halle versteht seinen Job. Nach Monaten erkennt er uns wieder und holt aus seinem inneren Scanner die flüchtige Begegnung hervor. Kein Zerberus, sondern ein charmanter Profi, wie man ihn ähnlich aus Hollywood-Filmen kennt. Unser Gastgeber holt uns persönlich ab, der Fahrstuhl noch mit Bauholz verkleidet. Aus dem ehemaligen Bürogebäude ist ein Wohnturm nach höchsten Ansprüchen geworden. Auch mit Schlagzeilen zwischendurch, dabei ist der namengebende Onyx, der schwarze Stein, im Volksglauben eigentlich ein mächtiger Schutzwall.

UNE DÉCO NOMMÉE DESIR

280 Quadratmeter auf zwei Ebenen. So viele Zimmer, dass man sich fast verlaufen könnte. Noch vergrößert durch eine Terrasse, auf der spielend ein LKW Platz fände. Hohe Schiebetüren und bauartbedingte Träger unterteilen dieses Haus im Haus. Pechschwarz das Entrée und gleich der erste Raum, eine von zwei kompletten Küchen, weiß wie Schnee. Gegenüber das tiefschwarze Marmorbad. Ein Königreich für den, der auf den Oberflächen einen Fingerabdruck findet. Erst später erfahren wir, dass hier sonst auch ein Hund lebt, ohne verlassenen Fressnapf und Leine bleibt er für uns ein Phantom. Alles ist sorgsam verräumt, "ich wurde erzogen, nichts liegenzulassen", sagt der Hausherr. Gern widmet er Dinge dafür um, macht etwa aus alten Hermés-Kartons und -Koffern illustre Kammern für Krimskrams. Als Label-Junkie will er sich nicht verstanden wissen, was ihm früher gefiel, kann er heute dekorativ ironisieren. Was alle haben, interessiere ihn nicht. Und erst recht keine Hochglanzkataloge. Lieber praktiziert er die klassische Auftragskunst und lässt renommierte Manufakturen in Frankreich und England sowie Design-Koryphäen für sich arbeiten - und das mit einer Verve, die in Deutschland selten anzutreffen ist.

Tatsächlich mag ich es 'hotelig', das wirkt entspannend auf mich.

MAISON DE MAÎTRE

"Die Raumaufteilung folgt jener, wie sie im 19. Jahrhundert üblich war. Zunächst die repräsentativen Räume, und über die Treppe gelangt man ins Privatere. Für ein größeres Entrée opferte ich ein Zimmer. Und dass die Küche daran angrenzt, war ursprünglich gar nicht vorgesehen. Das ließ ich ändern, denn sonst müssten Einkäufe erst durch die ganze Wohnung getragen werden", schildert der Hausherr das Prinzip. Stilsicher hat er die Etagen zu einem modernen Stadtpalais gestaltet. Eleganter Blickfang ist die Art-Déco-Kaminumrandung im Wohnzimmer, ein Original, bei dem es die Restauratoren zu gut meinten. "Leider ist die Patina weg." Samtige Stoffe, schimmernde Oberflächen und ein Hauch Opulenz bilden auch in der Bibliothek die perfekte Bühne für Kunstwerke und Reise-Souvenirs. Manches Schöne entdeckte er auf Antiquitätsmärkten in Brüssel und Paris.

HELLO DAISY DUCK

Wir bekommen dampfenden Espresso serviert. Die Tassen - wie könnte es anders sein? - eine Raffinesse! Nur Gourmet-Legende Reto Mathis verwendete solche in seinem Bergrestaurant in St. Moritz. "Seit Generationen reist meine Familie ins Oberengadin. Im Lokal sahen wir diese Tassen, die eigentlich nicht verkauft werden." Noch besser gefallen uns die Becher mit 50er-Jahre-Dekor des berühmten Keramikers Roger Capron, die in dessen Atelier in den Hügeln über Cannes entstanden sein müssen. Bei Kennern sorgen diese Becher für einen freudigen Herzaussetzer. Und da wohltemperierte Kontraste in diesem Zuhause das Maß aller Dinge sind, können im Wohnzimmer auch das titanische Helmut Newton-Werk "Sumo" und eine Ente mit Hut gut miteinander. "Das Buch hat er mir nach einem Abendessen signiert und die große Ente ist ein alter Rohling für Pappmaché-Figuren, ein bisschen wie Daisy Duck", erfahren wir.

FIVE STAR FEELING

Hat er sich beim Interieur nicht von den besten Hotels inspirieren lassen? Edle Texturen, luxuriöse Bäder, die Illustrationen und eine Ordnung, als sei ein penibler Zimmerservice am Werk. Bingo! "Tatsächlich mag ich es 'hotelig', das wirkt entspannend auf mich. Ich lebte jahrelang in Hotels. Bei mir finden sich Einflüsse aus den Ländern, in denen ich mich länger aufhielt oder auch studierte. England und vor allem Frankreich, dazu amerikanische Einflüsse." Die Kunst an den Wänden sei für ihn Teil der Dekoration, lässt er beiläufig fallen... wohlwissend, dass eine solche Aussage polarisiert. Gleichwohl nehmen wir sein Refugium als Gesamtkunstwerk wahr, zwar nicht museal, aber doch mit der Absicht, all das zu versammeln, was eben nicht jeder hat. "Ich will immer bis zum Schluss wissen, was geht. Das reize ich dann auch aus, selbst wenn ich damit die anspruchsvollsten Einrichtungshäuser nerve."

STILL LIFE

Dann die Überraschung! Er hänge nicht an den Dingen, sagt er, könne jederzeit loslassen und weiterziehen. Nach dem Projekt ist vor dem Projekt. Bald wird er sich ein zweites Domizil einrichten. Altbau diesmal. Dass nur wenige so leben können wie er und seine Familie, ist ihm bewusst. Nachdenklich wird er bei den geliebten Blumensträußen: "Sie sind wie das Leben, haben ihren Höhepunkt und verwelken."

image