Die Zusammenarbeit von Miuccia Prada und Raf Simons ist die wohl aufregendste Modeentwicklung der letzten Jahre. Denn das Power-Duo schafft das eigentlich Unmögliche: gleichberechtigt eine der begehrtesten Modelinien zu führen. Ihre Story und News zur Herbst/Winter Kollektion.
Im Februar 2020 wurde der belgische Modedesigner Raf Simons, der zuvor Kreativdirektor bei Jil Sander, Christian Dior und zuletzt bei Calvin Klein war, zum Co-Chefdesigner von Prada ernannt. Neben Miuccia Prada, der Mode-Künstlerin schlechthin, sollen beide „gleichberechtigt den kreativen Input und die Entscheidungsfindung“ der Damen- und Herrenkollektionen des italienischen Luxushauses verantworten. Die Modewelt überschlug sich damals regelrecht vor Begeisterung. Zwar gibt es mehrere erfolgreiche Partnerschaften in der Modebranche wie Lucie und Luke Meier bei Jil Sander oder Ashley und Mary-Kate Olsen bei The Row – allerdings tun sich solche Duos meist zu Beginn ihrer Karriere zusammen oder Chefdesigner:innen wechseln sich ab. Bei Prada hingegen kam ein weiterer hinzu. Dass sich bei dieser Partnerschaft zwei der angesehensten und beliebtesten Modeschöpfer der heutigen Zeit eine Bühne teilen, ist einzigartig.
Die Zusammenarbeit eröffnete nicht nur einen neuen Dialog zwischen zwei Designern, die individuell schon erfolgreich waren, sondern gaben auch einen neuen Ansatz wie die kreative Leitung einer Modemarke aussehen kann. Dabei mag Miuccia Prada nach eigenen Angaben eigentlich gar keine Kooperationen. Sie lehnte frühere Kollektionsanfragen entschieden ab. Zu banal, zu klischeehaft. „Es schien immer nur um eine Verkaufssteigerung zu gehen, weniger um Ideen“, so die mittlerweile 75-jährige Designerin. Nichts ärgere sie mehr als Kreativität ohne Sinn. Dann holte die Mailänder Visionärin Raf Simons als kreativen Partner und ist damit eine einzigartige Partnerschaft eingegangen. Eine, die laut Prada sogar für immer gilt. Denn: es gibt kein Enddatum für den Vertrag. Allerdings betonte Miuccia auch, dass ihr kreativer Antrieb kaum nachgelassen habe: „Ich liebe es zu arbeiten. Macht mich bitte nicht älter als ich bin."
SHE BEGAN AS A MIME ARTIST
Miuccia Prada ist ehrgeizig. Sie lernt, denkt und arbeitet ständig. Und ihr kreatives Engagement zahlt sich aus: Gemeinsam mit ihrem Mann Patrizio Bertelli leitet sie die Prada-Gruppe, eine globale Luxusmarke mit einem Jahresumsatz von 4,5 Milliarden Dollar (ab 2022). Auch der Einzelhandelsumsatz im letzten Quartal des Vorjahres konnte ein Plus von zehn Prozent verzeichnen. Gleichzeitig erzielte das Schwesterlabel Miu Miu einen atemberaubenden Anstieg von 82 Prozent. Prada hat es außerdem geschafft, sich von großen Modegiganten wie LVMH, Kering oder Richemont unabhängig zu halten. 80 Prozent des Unternehmens befindet sich immer noch im Besitz der Familie. 1949 als Maria Bianchi in eine wohlhabende Mailänder Familie geboren, wollte die junge Miuccia immer anders sein. Dinge anders machen, als alle anderen.
Sie ist keine klassisch ausgebildete Modedesignerin. Sie studierte Politikwissenschaft und machte eine fünfjährige Ausbildung zur Pantomimin bis sie schließlich in das Familienunternehmen einstieg. 1978 übernahm sie es von ihrer Mutter und 1989 präsentierte Miuccia ihre erste Prêt-à-porter-Kollektion für Prada, bevor sie 1992 ihre eigene Marke Miu Miu lancierte. Sie konnte nicht einmal zeichnen, gab sie in einem Vogue-Interview zu. Aber sie wusste, was sie tragen wollte und brachte es auf den Laufsteg. Gemeinsam mit ihrem Mann hat Miuccia die Marke, die 1913 von ihrem Großvater gegründet wurde, zu einem der bedeutendsten Luxushäuser der Modegeschichte gemacht. Sie widersetzte sich der makellosen Linien von Armani und dem Va-Va-Voom von Versace und Dolce & Gabbana, ihren mailändischen Kollegen. Und setzte stattdessen mit ihrem „ugly chic“ auf Extreme und Gegensätze: dicker Zopfstrick auf hauchdünne Transparenz, Socken mit High Heel-Sandalen, Bourgoise und rebellische Coolness. Sie spielte mit der Nostalgie der Fünfziger, dem Minimalismus der Achtziger und den „hässlichen“ Farben der Siebziger.
„I LIKE TO PUSH“
Miuccias Designs richteten sich nicht nach den Trends, sondern setzte sie stets neu. Sie folgte ihnen nie, sondern war immer auf der Suche nach neuen Impulsen, nach dem, was faszinierender, innovativer, mutiger und spannender war. Risiko sei dabei etwas, dass ihr gefiele. Innovation ist ein fester Bestandteil der Prada-Identität: die Bereitschaft, Grenzen zu überschreiten, zu experimentieren und Chancen zu nutzen, um sich weiterzuentwickeln. Und mit Raf Simons als Co-Kreativdirektor wagte Prada einen mutigen Schritt: „Ich mag es zu pushen, weil man dabei kreativer und intelligenter wird“.
THE PERFECT DUO
Miuccia Prada weiß genau, was sie tut. Den nötigen Wiedererkennungswert sicherte sie sich nicht nur durch das berühmte „Triangolo“-Logo, sondern auch durch unverwechselbare Prints und Designs. Als Meisterin des „Hässlich-Eleganten“, schaffte sie es, Luxus intelligent aussehen zu lassen. Raf Simons auf der anderen Seite (der bis 2022 noch sein gleichnamiges Menswear-Label hatte) gilt als Erneuerer der Herrenmode: seine von Jugend- und Subkulturen geprägten Kollektionen haben unter anderem die Neuerfindung des Anzugs maßgeblich vorbereitet und geprägt. Bei Jil Sander entwarf er erstmals Damenmode und bei Dior bewies er, dass er auch opulent und bunt gestalten kann. Früher war Simons Prada-Fan, heute ist er Mitgestalter.
FONDAZIONE PRADA
Die Fondazione Prada, die ihren Standort in Mailand und Venedig hat, ist ein Ventil für Miuccias intellektuellen Elan. Seit ihrer Gründung 1993 hat sich die Prada-Stiftung zu einem führenden Förderer zeitgenössischer Kunst entwickelt. Obwohl beide Designer sehr unterschiedliche Hintergründe haben, verbindet sie ihre gegenseitige Wertschätzung, ähnliche Weltsicht und die Fähigkeit Gegenwart und Zukunft zu vereinen. Wie Miuccia hat Simons keine Modeschule besucht, sondern Industriedesign studiert. Seit langem bewunderten sie die Arbeit des anderen und betonten gleichermaßen die Notwendigkeit von Realität, Zweckmäßigkeit, Bedeutung und Nützlichkeit in ihren Kollektionen.
FALL/WINTER 2024
Während der Mailänder Modewoche gehört Prada zu den am meisten erwarteten Kollektionen. Das Duo präsentierte eine nüchterne, aber raffinierte Herrenkollektion für Frühjahr/Sommer 2024. Die Prada-Silhouette war stromlinienförmig, die Schnitte geschmeidig und die Stoffe fließend. Die Hemden wurden in Shorts oder Hosen gesteckt und die Taille wurde im Gegensatz zu den breiten Schulterpolstern gestrafft. Das traditionelle Hemd war mal raffiniert, mal lässig, mit ultralangen Ärmeln und skurrilen Elementen wie floralen Motiven, Fransen und einer Vielzahl von Taschen. Die Damen-Kollektion bot eine absolute Freiheit des Körpers, die sich in leichten Kleidern in fließenden Stoffen ausdrückte. Formale Silhouetten, die der Herrenmode entlehnt sind, wurden in architektonischen Formen neu interpretiert. Für die Herbst/Winter 2024 Kollektion präsentierte das Duo eine neue Sichtweise auf Power-Dressing und konzentrierte sich auf starke Silhouetten, die durch zarte Details ergänzt werden. Einmal mehr haben Miuccia und Simons ihre Meisterschaft in Sachen Fashion bewiesen, indem sie historische Referenzen nahtlos mit zeitgenössischem Design verschmelzen.