In seinem ersten eigenen Restaurant in Groß-Gerau, das der Peruaner Julio Cesar Alberto Pizarro Villanueva betreibt, serviert er höchst kreative und köstliche Gerichte, die nicht nur eine Hommage an die Produkte und Aromen seiner Heimat sind, sondern auch zu den aufregendsten im Rhein-Main-Gebiet gehören.
PERUVIAN EVOLUTION
Ein Blick auf die aktuelle Ausgabe der einflussreichen „The World’s 50 Best Restaurants“-Rangliste zeigt, dass die Küche Perus in der kulinarischen Weltspitze angekommen ist. Mit dem Spitzenreiter Central in Lima und dem auf Rang 6 platzierten Maido befinden sich gleich zwei Restaurants aus dem Andenstaat in den Top 10. Die Ursachen dafür liegen auf der Hand: Die vielfältige kulinarischen Einflüsse, die aus jahrhundertelangen Einwanderung resultieren – von den spanischen Eroberern über afrikanische Sklav:innen bis hin zu chinesischen und japanischen Arbeiter:innen – haben zusammen mit den indigenen Kulturen des Landes einen hochspannenden gastronomischen Schmelztiegel geschaffen, den eine neue Generation international ausgebildeter Köchinnen und Köche in ebensolche Genuss-Erlebnisse transformiert.
LEARNING FROM LEGENDS
NO STEREOTYPES
Julio Pizarros mehrmals im Jahr wechselnde Menüs verbinden seine peruanischen Wurzeln mit seiner französischen Ausbildung und den weltweit gesammelten Erfahrungen und Inspirationen. Wie vielen kreativen Menschen graut es ihm davor, in eine Schublade gesteckt zu werden: „Wir wollen kein peruanisches Restaurant sein, sondern ein Fine Dining Restaurant mit den kompletten Einflüssen von Peru. Weil viele bei Peru an Ponchos und Machu Picchu denken und das wollten wir vermeiden. Wir wollen zeigen: es gibt tolle Produkte in Peru. Und wir verbinden diese Produkte mit verschiedenen, oft französischen Techniken. Damit die Gäste einen neuen Geschmack kennenlernen, ihn aber einordnen können. Wie soll man ansonsten beurteilen, ob ein Gericht gut oder schlecht ist, wenn man es nie zuvor gegessen hat?“
Wir wollen zeigen: es gibt tolle Produkte in Peru. Und wir verbinden diese Produkte mit verschiedenen, oft französischen Techniken. Julio Pizarro, Küchenchef Pizarro Fine Dining
PERUVIAN-JAPANESE NIKKEI CUISINE
Dem Küchenchef ist wichtig, authentische Geschmacksbilder zu vermitteln, ohne seine Gäste zu überfordern: „Ein Peruaner sitzt hier und sagt: Das sieht komplett anders aus, aber es schmeckt bekannt. Unser Ceviche hat weniger Säure, weil es in Peru richtig sauer gegessen wird.“ Julio Pizarro serviert das Nationalgericht daher unter anderem im Stil der japanisch-peruanischen Nikkei-Küche, als Tiradito – mit einem nach der Ikejime-Methode verarbeiteten Kingfish. Im Gegensatz zum klassischen Ceviche wird der Fisch dabei sashimi-artig in dünne Scheiben geschnitten und kommt nur für kurze Zeit mit der zitronigen Leche de Tigre-Marinade in Kontakt. Auch das bodenständige Kartoffelgericht Causa, das in Peru kalt gegessen wird, interpretiert Julio Pizarro auf andere Weise, denn er ist sich sicher: „Wer isst in Deutschland kalte Kartoffel-Mousseline? Keiner. “Daher bringt er es als warme, seidige Kartoffel-Mousseline auf den Teller, die mit Taschenkrebs gefüllt und zusammen mit Kaisergranat, Loche-Kürbis, einem Gel aus kalt gepresstem grünem Apfel, Lachskaviar und einer Kaisergranat-Bisque serviert wird, die er anstelle von Tomaten mit den peruanischen Chilisorten Rocoto und Ají Limo ansetzt. Das beliebte Pfannengericht Lomo Saltado reduziert der Koch ganz und gar auf eine Soße aus Rinderfiletstücken, die ein Stück erlesenes A5 Wagyu Skirt Steak umschmeichelt.
DRINK A WINE WITH IT
Julio Pizarro zur Seite steht Marcel Dörflinger-Oster, mit dem der Koch lange vor seinem Umzug nach Deutschland befreundet war, da die Frauen der beiden sich seit dem Studium kennen. Ursprünglich in der Finanzbranche tätig, leitet Dörflinger-Oster charmant, resolut und souverän den Service im gemütlichen Gastraum mit Wohnzimmer-Atmosphäre. Er berät Gäste außerdem in Bezug auf das ausgezeichnete Weinangebot, das sich seit den Anfängen des Restaurants, das im Jahr 2019 zunächst als Weinbar eröffnet worden war, stetig weiterentwickelt hat und ausgesuchte Weine aus aller Welt mit einem Schwerpunkt auf Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich umfasst. „Beim Wein haben wir im Mittelklasse-Segment angefangen und pushen das Angebot seitdem nach oben“, erläutert Pizarro und sieht dies auch als Leitlinie für das Restaurant insgesamt: „Das ist ein Evolutionsprozess. Als Basis war wichtig, dass die Leute verstehen, dass wir gut kochen können und alles Handarbeit ist. Jedes Menü ist ein wenig besser als das davor und enthält mehr Techniken. Ich weiß, dass wir noch besser kochen können. Dafür brauchen wir aber mehr Personal.“ Ein Besuch im Pizarro Fine Dining ist bereits jetzt schon ein außergewöhnliches, überraschendes Vergnügen und sei allen kulinarisch Interessierten dringend empfohlen.