Virtuelle Ausstellungen, Augmented Reality, KI-generierte Bilder: Das Digitale hat längst Einzug in die Kunstwelt gehalten und schafft dort neue Realitäten. THE FRANKFURTER stellt spannende Tools, Plattformen und zwei aufstrebende Künstlerinnen vor.
Multisensorisch, immersiv, phygital – in der Kunstwelt ist die Debatte zwischen Analog und Digital längst einem bunten Miteinander gewichen: Eine zunehmende Hybridisierung prägt das künstlerische Schaffen. Der Einzug des Virtuellen in Museen und Galerien erfuhr insbesondere seit der Corona-Pandemie einen beschleunigten Aufschwung. In einer Zeit, in der der Zugang zur Kunst nur noch virtuell möglich war, etablierte sich das Metaversum als interaktiver Raum für künstlerische Erlebnisse. Dabei ist er keineswegs als bloße Notlösung zu betrachten; der virtuelle Raum eröffnet vielmehr völlig neue, immersive Dimensionen des Kunstgenusses – zu jeder Zeit, an jedem Ort.
ALGORITHMS INFLUENCE
Auch die klassischen Künste werden vom Digitalen durchdrungen – wenn auch auf subtilere Weise. War es bis dato schwierig bis unmöglich, ohne Ausbildung an einer Kunsthochschule mit Kunst Geld zu verdienen, so erhält heute eine neue Form von Künstler:innen die Chance auf den Durchbruch: Dank Plattformen wie Instagram werden Arbeiten talentierter Autodidakt:innen inzwischen so hoch gehandelt wie die manch renommierter Künstler:innen. Algorithmen beeinflussen nicht nur die Produktion, sondern auch die Rezeption von Kunst. Sie analysieren Vorlieben, erstellen personalisierte Kunstempfehlungen und prägen den individuellen Kunstgeschmack.
Wir erleben gerade eine aufregende Ära, in der die Grenzen zwischen Realität und Virtualität verschwimmen und die Kunst sich neu erfinden. Phygitalität verändert nicht nur unsere Schaffens- und Konsumgewohnheiten, sondern auch die Art und Weise, wie wir Kunst erleben und interpretieren. Die Herausforderung zeitgenössischer Künstler:innen besteht darin, ihre kreative Freiheit und Authentizität zu bewahren, während sie die Potenziale digitaler Technologien voll ausschöpfen. Fest steht: In einer Zeit des ständigen Wandels ist die Kunst eine treibende Kraft, die die Grenzen des Möglichen erkundet.
VIRTUAL EXHIBITION SPACES: EXPERIENCING ART BEYOND PHYSICAL BOUNDARIES
Virtuelle Ausstellungsräume begründen eine neue Ära des Kunstgenusses, die über die Möglichkeiten physischer Galerien und Museen hinausgeht. Projekte wie „New Float“ von Manuel Rossner bieten eine digitale Plattform, auf der zeitgenössische Kunst und NFTs in einem virtuellen Raum präsentiert werden. Besucher:innen können als Avatare in die digitale Kunstwelt eintauchen und darin ohne räumliche oder zeitliche Einschränkungen interagieren. Virtual Exhibition Spaces stellen traditionelle Ausstellungskonzepte infrage und ermöglichen eine immersive, flexible und demokratische Kunstbetrachtung für ein breites Publikum.
AUGMENTED REALITY (AR): WALKABLE WORLDS
AR hat sich zu einem kraftvollen Tool in der zeitgenössischen Kunst entwickelt, das die Grenzen zwischen dem Physischen und Digitalen verschwimmen lässt. Künstler:innen wie Nadine Kolodziey nutzen AR, um immersive und interaktive Erlebnisse zu schaffen, die über traditionelle Formate hinausgehen. Durch die Integration von digitalen Elementen in die physische Umgebung eröffnen sie eine neue Dimension der Wahrnehmung und ermöglichen es den Betrachter:innen, in künstlerische Welten einzutauchen. Von begehbaren Installationen bis hin zu interaktiven Skulpturen bieten AR Künstler:innen die Möglichkeit, innovative Wege der Kunstpräsentation zu erkunden und das Publikum aktiv einzubeziehen.
Ich bin dankbar, in dieser Zeit künstlerisch tätig zu sein. Denn ich glaube, dass sich gerade die Anfänge einer neuen Wahrnehmung der Wirklichkeit entwickeln. Nadine Kolodziey
Frau Kolodziey, was sind Ihrer Meinung nach aktuell die wichtigsten Entwicklungen in der Kunst?
„An KI kommt man natürlich nicht vorbei. Auch als Nicht-Coderin finde ich besonders die generierten Plugins zur Softwareverbesserung spannend. Text-to-3D ist auch nicht uninteressant. Aber was wirklich spannend ist: Durch das Überangebot an digitalem Input und den weitreichenden Möglichkeiten wird genau das Gegenteil besonders und wertvoll: Erlebnisse, Materialien, Berührung, Geruch, vielleicht Momentum – etwas, das nur live und vor Ort passiert und dann wieder verschwindet. Gerade die Bereiche Skulptur, Malerei, aber auch Installation und Performance werden aus einem neuen Blickwinkel betrachtet. Als neuer Akteur kommt die Gamification hinzu: Besucher:innen werden aktiver Teil einer Arbeit.“
Wie sieht Ihre Zukunftsvision der Kunstwelt aus?
„Idealisiert vielleicht so: Das Digitale katapultiert uns nicht in ein alternatives Metaversum, sondern wird organischer Teil unserer Welt. Betont im Idealfall sogar intuitiv das Natürliche und führt uns zurück in eine Zeit ohne digitale Zugänge: Erlebnisse statt Bilder werden geschaffen. Kunst wird mit allen Sinnen erfahrbar gemacht und abseits von Galerie oder Museum in einen urbanen oder unerwarteten Kontext gestellt.“
ROBOTICS: MACHINES AS CREATORS
Die Integration von Robotik in die Kunst bildet eine faszinierende Schnittstelle zwischen Kreativität und Technologie. Ein Beispiel dafür ist A.I.C.C.A., der "Artificially Intelligent Critical Canine" des deutschen Künstlers und KI-Pioniers Mario Klingemann. Der plüschige Robo-Terrier kombiniert künstliche Intelligenz mit einem spielerischen Ansatz, um Kunstwerke auf humorvolle Weise zu kritisieren. Durch den Einsatz von Kamera und ChatGPT eröffnet A.I.C.C.A. eine neue Dimension der künstlerischen Interaktion, in der Technologie nicht nur als Medium, sondern als aktiver Teil des kreativen Prozesses fungiert.
SOCIAL MEDIA: NEW WAYS OF ACCESS
Ich finde gut, dass Kunst zugänglicher geworden ist. Sowohl in Bezug auf das Schaffen und Präsentieren von Kunst als auch auf den Kauf – beispielsweise von hochwertigen Art Prints. Isis Maria Niedecken