UNSICHTBARES DESIGN – FRANKFURTS STILLE STÄRKE

WENN GESTALTUNG WIRKT, OHNE SICH AUFZUDRÄNGEN

Was ist gutes Design? Viele denken dabei an das Sichtbare: eine ikonische Form, ein architektonisches Statement, eine auffällige Oberfläche. Doch in Zeiten ökologischer Krisen und überhitzter Städte tritt ein anderes Designverständnis in den Vordergrund – eines, das sich zurücknimmt, einfügt und im Stillen wirkt. Willkommen in der Welt des „Invisible Design“.

DIE STILLE GESTALTUNG DER STADT

Frankfurt zeigt mit Projekten wie denen von OMC°C, wie unsichtbares Design zum Kraftfeld der Transformation wird. Die vertikalen Begrünungssysteme von „VERD°“ etwa – textile Pflanzensegel, die Fassaden beschatten, Luft filtern und CO₂ binden – sind so leicht und durchlässig, dass sie architektonisch kaum in Erscheinung treten. Und doch beeinflussen sie das Klima ganzer Straßenzüge. Nicht die Form, sondern die Wirkung ist ihr Statement.

Gerade hier zeigt sich ein Paradigmenwechsel im Designverständnis: Wirkung statt Wirkungsschau. Das bedeutet, dass Materialien, Technologien und Strukturen zunehmend so gestaltet werden, dass sie sich in bestehende Systeme einfügen, statt neue Symbole zu erzeugen.

DESIGN, DAS ENTLASTET STATT ÜBERFORDERT

In urbanen Kontexten geht es immer öfter um die Reduktion von Lärm, Hitze, Emissionen und visueller Reizüberflutung. Invisible Design arbeitet mit atmenden Materialien, leichten Konstruktionen, dezentraler Technik – und oft mit Naturelementen. Ob intelligente Wasserspeicher unter Pflasterflächen, Bodenbeläge aus recyceltem Kaffeesatz oder Fassaden mit lebendiger Begrünung: Hier ist Gestaltung nicht nur Formgebung, sondern Verantwortung.

NEUE WERTE: RESILIENZ, INTEGRATION, UNSICHTBARKEIT

Klassische Design-Kriterien wie „Neuheit“ oder „Einprägsamkeit“ werden zunehmend ergänzt durch Begriffe wie Resilienz, Adaptivität und Systemintelligenz. Gestalter:innen arbeiten mit Stadtplaner:innen, Biolog:innen, Klimaforscher:innen zusammen. Invisible Design lebt von Interdisziplinarität, nicht von Showeffekten.

Ein gutes Beispiel ist die Integration digitaler Infrastruktur in Stadtmöblierung oder Architektur. Sensorik, Smart-Tech, Photovoltaik – alles vorhanden, aber nicht sichtbar. So wird Technologie zur Infrastruktur, nicht zur Inszenierung. Design wird zum Träger ökologischer Intelligenz.

DIE ÄSTHETIK DER ZURÜCKHALTUNG

Ästhetik muss heute nicht laut sein. Sie darf still, organisch, weich, prozessual sein. Das zeigt sich nicht nur in Produkten, sondern auch in urbanen Konzepten. Begrünte Schattenspender wie „VERD°“, die auf Flachnetzen wachsen, sind das Sinnbild dieses neuen Designs: modular, unspektakulär, hochwirksam. Und: sie fordern keine Aufmerksamkeit – sie schaffen Raum für Aufmerksamkeit.

FAZIT: DAS UNSICHTBARE IST DIE NEUE RELEVANZ

In einer Zeit, in der Städte mit Hitzerekorden, Lärm und Überforderung kämpfen, ist Invisible Design keine Geste – sondern eine Haltung. Es stellt nicht sich selbst in den Mittelpunkt, sondern das, was fehlt: Schatten, Frischluft, Ruhe, Biodiversität. Es ist die Kunst, sich zurückzunehmen – und dennoch zu prägen.

Frankfurt hat mit seiner Auszeichnung zur World Design Capital 2026 die Chance, genau diesen Wandel sichtbar zu machen: mit Projekten, die man vielleicht nicht sofort sieht, aber definitiv spürt.