I'M A HESSIAN!

Seit Norman Thatcher Scharpf im letzten Jahr sein Amt als US-Generalkonsul in Frankfurt angetreten hat, ist auch ein Stück hessischer Auswanderergeschichte ins Licht gerückt. Der Diplomat und Boss über mehr als 1.000 Mitarbeiter:innen schaut mit Stolz auf seine deutschen Wurzeln. Mit THE FRANKFURTER-Herausgeber Robin Zabler, der die USA seine zweite Heimat nennt, sprach er Ende letzten Jahres über Burgen, Business und die Herausforderung China.

Welcome to Hesse, Mr. Thatcher Scharpf! Vor langer Zeit sagten Ihre Vorfahren: Bye, bye, Hesse!

„Die Vorfahren meines Großvaters mütterlicherseits kamen aus einem Dorf namens Magdlos im heutigen Landkreis Fulda. Unlängst habe ich dort mit meiner Frau die Kirche besucht, wo meine Ur-Ur-Großeltern getauft wurden. Sie waren arm und wollten ein besseres Leben für sich, daher emigrierten sie in den 1860er-Jahren nach Amerika. Weitere Vorfahren kamen aus Baden-Württemberg. Sie ließen sich, wie so viele Deutsche, in Pennsylvania nieder. Meine Wurzeln sind zu 75 Prozent deutsch.“

Sind Sie mit der Sprache Ihrer Vorfahren warm geworden?

„Ich habe sieben Sprachen gelernt. Aber ganz ehrlich: Deutsch ist die härteste. Bevor ich nach Deutschland kam, habe ich in Washington, D.C., wo ich auch aufgewachsen bin, ein halbes Jahr intensiv Deutsch gelernt. Deutschland selbst kannte ich bereits von früheren Besuchen.“

Wie genießen Sie Ihre Freizeit?

„Meine Frau und ich nutzen das große kulturelle Angebot Frankfurts und der Region. Wir besitzen die Familien-Museumsufercard, mit der man zahlreiche Museen so oft besuchen kann, wie man möchte. Die Rembrandt-Ausstellung im Städel Museum hat uns gut gefallen. Das English Theatre, das größte englischsprachige Theater auf dem europäischen Festland, ist natürlich ein Highlight. Auch in der Oper Frankfurt und beim Ballett im Staatstheater Wiesbaden waren wir schon. Außerdem lieben wir die Schönheit der Natur; wir wandern sehr gern im Taunus oder fahren in den Rheingau. Ich bin auch ein Fan von Schlössern, Burgen und Kathedralen – und ich habe mir vorgenommen, möglichst viele zu besichtigen.“

Ihr Lebenslauf liest sich brillant und umfangreich. Zuletzt waren Sie stellvertretender Leiter des Büros des US- Außenministers. Sie haben zahlreiche hohe Auszeichnungen und waren bereits in einigen Ländern als Diplomat tätig.

„Vor meinem Eintritt in den Auswärtigen Dienst war ich als Surface Warfare Officer bei der US-Marine tätig, unter anderem auf dem Zerstörer USS Robinson. Ich habe an der University of Pennsylvania Wirtschaftswissenschaften studiert und einen Master-Abschluss zur National Security Resource Strategy an der National Defense University in Washington, D.C. Rückhalt geben mir immer meine Frau und meine drei Kinder.“

Als Generalkonsul stehen Sie einer der größten diplomatischen Vertretungen weltweit vor. Sie sind der Manager dieser wichtigen Drehscheibe. Das setzt Erfahrung und Weitblick voraus. Was machen aus Ihrer Sicht die deutsch-amerikanischen Beziehungen aus?

„Wir stehen uns kulturell sehr nahe; die Affinität ist hier enorm. Einer von acht Amerikanern besitzt deutsche Wurzeln. Und die US-Militärangehörigen, die in Deutschland stationiert sind, bringen immer auch ein Stück Deutschland mit zurück in ihre Heimat. Die USA und Deutschland sind seit 75 Jahren großartige Partner und dies basiert auf gemeinsamen demokratischen Werten und dem Respekt vor Freiheit und Menschenrechten. Zu den Aufgaben des US-Generalkonsulats in Frankfurt, dessen Konsularbezirk neben Hessen die Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und das Saarland umfasst, gehört, diese Partnerschaft weiter vielfältig zu vertiefen, etwa mit Studien-Austauschprogrammen, Think Tanks und einer Wirtschaftsförderung. US-Außenminister Antony Blinken betonte bei seinem Antrittsbesuch in Berlin im Sommer 2021‚ dass die USA ‚keinen besseren Partner und keinen besseren Freund als Deutschland‘ habe.“

Antony Blinken unterstrich in Berlin die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit im Kampf gegen Krisen und Konflikte der Welt. Was sind hier aus amerikanischer Sicht die größten politischen Aufgaben?

„US-Präsident Joe Biden und Außenminister Antony Blinken formulierten dazu eine Top 3. Erstens: Der Kampf gegen die Corona-Pandemie und dahingehend die Entwicklung von Impfstoffen und die globale Impfstoff-Verteilung, auch mithilfe eines Partners wie Deutschland. Die Welt muss auf zukünftige Pandemien vorbereitet sein. Die zweite Herausforderung ist eindeutig der Klimawandel. Am ersten Tag im Amt unterzeichnete Präsident Bi-den die Rückkehr der USA ins Pariser Klimaabkommen. Bis 2030 wollen die Vereinigten Staaten den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen im Vergleich zu 2005 mindestens halbieren. Gemeinsam mit Deutschland und anderen Partnern müssen wir weitere Länder ermutigen, Emissionen zu reduzieren, um die Klimaziele zu erreichen.“

Und die dritte Herausforderung?

„Die Beziehung des Westens mit China. Nach 1945 haben die USA und die führenden Politiker der europäischen Länder gemeinsam die regelbasierte Weltordnung basierend auf demokratischen Richtlinien und Werten geschaffen, die Wohlstand und Frieden brachten. China strebt hier zu einem autoritäreren Modell. Wenn das Land gegen internationale Normen verstößt, etwa bei den Menschenrechten, müssen wir dies China vorhalten. Gleichzeitig müssen und wollen die USA mit China zusammenarbeiten, wo es möglich ist. Dies trifft insbesondere hinsichtlich der Klimaziele zu, denn der Klimawandel ist eine globale Herausforderung. Bei der Weltklimakonferenz in Glasgow im vergangenen November haben die USA und China eine Klima-Zusammenarbeit angekündigt.“

Welche Ziele haben Sie sich für die kommenden drei Jahre in Ihrem Amt gesteckt?

„Grundsätzlich würde ich gerne eine vertiefte Zusammenarbeit der USA mit Deutschland in den Bereichen Sicherheitspolitik im Rahmen der NATO, Erhalt der regel-basierten Weltordnung zum Nutzen der Wirtschaft und im Klimaschutz sehen. Strategisch nimmt das Generalkonsulat in Frankfurt nicht nur eine bedeutende Dienstleistungs- und Unterstützungsfunktion für über 100 andere US-Vertretungen in der ganzen Welt ein. Es übernimmt zudem überregionale, konsularische Dienstleistungen und – was mir besonders wichtig ist – wir fördern auf vielfältige Weise die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den USA und Deutschland. Hier wollen wir in Zukunft noch enger mit lokalen deutschen Unternehmen und Organisationen zusammenarbeiten. Wir helfen diesen, den transatlantischen Handel besser zu verstehen. In den USA zu investieren ist hochattraktiv. Ebenso helfen wir US-Firmen, wenn sie einen europäischen Markt kreieren wollen, besonders, wenn sie Frankfurt dafür im Fokus haben. Auch wollen wir mehr unserer Landsleute ermutigen, in Deutschland zu studieren. Um die engen Beziehungen fortzusetzen, gibt es keinen besseren Weg als junge Menschen zu verbinden.“

In den USA zu investieren, ist hochattraktiv. Wir helfen dabei. Generalkonsul Norman Thatcher Scharpf

Ihr Rat an deutsche Unternehmen, die in den USA investieren wollen – und an amerikanische Firmen, die in Hessen Fuß fassen möchten?

„Für deutsche Unternehmen ist es von zentraler Bedeutung, über die Gesetze vor Ort informiert zu sein, denn diese können von Bundesstaat zu Bundesstaat variieren. Sie sollten sich auch an ‚SelectUSA‘ wenden, ein Programm der US-Regierung unter der Leitung des Handelsministeriums, das Unternehmensinvestitionen in den USA erleichtert. Amerikanische Firmen erhalten über den U.S. Foreign Commerical Service am Frankfurter Generalkonsulat wichtige Marktinformationen. Wir bieten hier Dienstleistungen und Programme, die den Unternehmen helfen, Waren und Dienstleistungen nach Deutschland zu exportieren. Handelsspezialisten helfen bei der Suche nach lokalen Geschäftspartnern, bei der Unternehmensgründung, bei der Werbung für Produkte und Dienstleistungen, bei der Beschaffung wertvoller Marktforschungsberichte und beim Schutz geistiger Eigentumsrechte.“

Wenn Amerikaner:innen an Deutschland denken ...

„ ... denken sie an einen Innovationsstandort und exzellente Ingenieurskunst. An hohe Präzision, Produktivität und Pünktlichkeit. Der Ruf Deutschlands in den USA ist ausgezeichnet. Die High Tech-Ausbildung ist vorbildlich und könnte über deutsche Unternehmen, die in den USA aktiv werden und diese Standards mitbringen, einen hohen Nutzen für mein Land darstellen. Und: für uns Amerikaner kommt gutes Bier immer aus Deutschland!“