HILLSIDE EXPERIMENT

Seine White Cube-Villen sind zeitlose, baukünstlerische Preziosen. Mit seinem eigenen Wohn- und Atelierhaus "Parler Research House PR39" mit traumhafter Sicht über den Stuttgarter Talkessel wollte Star-Architekt Alexander Brenner etwas schaffen, was nicht nur seine Experimentierfreude umfänglich zeigt, sondern auch den Betrachter daran erinnert, dass Architektur mit Liebe zu tun hat.

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"In unserer Nachbarschaft gibt es noch ein öffentliches Telefon. Von dort rief mich ein Herr an, sicher über 80 Jahre alt, kein Architekt, und bedankte sich bei mir, dass ich ein so schönes Haus gemacht habe. Er hätte seinen Spazierweg geändert, um oft das Haus bewundern zu können. Das rührte mich, denn die Zuwendung des Hauses zur Stadt hin beziehungsweise zu den Stadtnutzern ist für mich ein ganz wichtiges Thema. Ich kann von meiner Terrasse aus sehen, wie Menschen stehen bleiben, manche sicher eigens anreisen, und sich für die Details interessieren, etwa das Garagentor aus massivem Eichenholz."

Rund um den Stuttgarter Killesberg ist viel altes Geld zuhause. Feine Halbhöhenlage, ehrwürdige Villen. Die Villa Porsche von 1923 etwa, in dessen Garage die Prototypen des VW Käfers entstanden. Nein, eine klassische Villa sei sein 2019 fertiggestelltes Haus in der Parlerstraße gewiss nicht, so Alexander Brenner: "Denn solche hatten früher ganz andere Anforderungen, auch hinsichtlich repräsentativer Gastlichkeit, und sie funktionierten ausschließlich mit vielen Bediensteten, die ebenfalls darin wohnten. Heute stehen Privatheit und der Wunsch nach einem komfortablen, unabhängig funktionierenden Haus im Vordergrund. Der Rückzug ins Private ist der größte Luxus, den man haben kann."

SOLID AS A ROCK

Mann kann auch ohne Kunststoff bauen. Alexander Brenner
Wie soll man dieses extrem durchdachte Haus, das sich gekonnt an den steilen Hang schmiegt, ansprechen? Burg, Hüter oder Naturstein-Kosmos? "Höhle", überrascht uns Alexander Brenner, und erklärt: "Mein Haus, wie alle, die wir bauen, schützt vor der lauten und etwas aufgeregten Welt. Eine sehr stabile Haustür ist ein Teil dessen, denn sie erzeugt durch ihre Schwere beim Schließen das Gefühl, die Welt hinter sich zu lassen. Das hat mit den Urbedürfnissen von uns Menschen zu tun. Auf den 300 Quadratmetern Wohnfläche ist das meiste anders als man es von Neubauten sonst kennt. Kunststoffe und Lacke sind tabu. Kalkputz, nach traditioneller Art verarbeitet, der die Wände atmen lässt. Parkett und Türblätter aus Eichenbohlen, die durchs Feuer gegangen sind. Ein Minimum an Smart Home-Technologie. Alle Einbauten, einschließlich der Küche mit ihrem kupferverkleideten Tresen, und nahezu alle Möbel sind vom Hausherrn entworfen. Ein geerdetes, sehr persönliches Haus. Hellwach, erwachsen und, wie wir feststellen, doch erstaunlich behaglich.

CAMERA DE LA CONFUSIONE

Schon die Annäherung ist einzigartig. Die Grundstückseinfassung entlang des Bürgersteigs ist mit akkurat verlegten Edelstahlplatten verkleidet, wie der Rahmen ein Gemälde fokussiert. Weiter zu einem Vorhof und dem eigentlichen Entree, einer doppelgeschossigen Halle, die der Architekt und Italienfan aus dem Stilmittel der klassischen Villa heraus weiterentwickelt hat. "Schuhe und andere Alltagsdinge werden in einem Raum hinter der Wandverkleidung den Blicken entzogen. Diesen versteckten Raum, es gibt solche in allen meinen Häusern, nenne ich ‚Camera de la confusione‘, also Raum der Verwirrung." Weiter geht es ins erste von vier Obergeschossen, wo der Planer sein Mal- und Bildhaueratelier eingerichtet hat. Privater ist das zweite Obergeschoss, die erste "Beletage", mit Schlafzimmer, Bad und Ankleiden.

Der Clou: hier findet sich auch der Zugang zu einem in den Hang gegrabenen Weinkeller. "Er ist dadurch auf ganz natürliche Weise klimatisiert und riecht auch wie ein Keller von früher." Clou Nummer zwei: die "Grotte" mit Badewanne. Sehr wohnlich finden wir das wunderschöne Parkett aus gelaugter Eiche mit massiven Messing-Inlays, ein Entwurf von Alexander Brenner für den italienischen Parkett-Hersteller Listone Giordano, und die raffinierten, gelochten Fenster-Stahlblenden, die sich von Hand um 180 Grad verstellen lassen und als Sonnenschutz dienen.

BUILD LOVE - LOVE BUILD

Hier hatten Menschen mit viel Überlegung und handwerklichem Können etwas von Dauer und emotionalem Wert geschaffen. Alexander Brenner
"Ein Lieblingsplatz im Herbst? Sicher die Kaminecke im Hauptgeschoss", schwärmt der Stuttgarter. Die atemberaubende Dachterrasse wäre unser ganzjähriger Favorit. Geschützte Ausblicke. Der Garten - auch er ist ein Teil des Gesamtkunstwerks. Nichts gibt der Villen-Architekt bei seinen Schöpfungen, von denen einige auch im Taunus, Wiesbaden und Frankfurt - etwa das Crown House - stehen, aus der Hand. Alle Fachplanungen nebst Innenarchitektur, Möblierung und Beleuchtung sowie die Gestaltung der Außenanlagen übernehmen Alexander Brenner uns sein Team. "Ich baue in der Regel nur für Erwachsene jenseits der 50. Viele dieser Bauherren haben schon mehrfach gebaut und wissen genau, was sie in diesem Lebensabschnitt brauchen."
Das Haus am Hang zeigt die Summe jahrzehntelanger Erfahrung - und ist so nachhaltig ökologisch und so konsequent mit überlieferten Bauchtechniken und Naturmaterialien konstruiert, wie sich das nur wenige Architekten trauen. "Der Bautypus Villa steht für dauerhafte Material- und Detailqualität, daher mein Interesse für die Planung moderner Villen. Als Student kam ich im Allgäu an einem Wohnhaus vorbei, das der Architekt Lois Welzenbacher gebaut hatte. Ich klingelte und die wohl 80-jährige Eigentümerin öffnete und ließ mich das Haus anschauen. Dass Architektur eine Möglichkeit ist, Liebe und Zuwendung einzufrieren und es Menschen noch nach einem halben Jahrhundert zugänglich zu machen, offenbarte mir dieses Haus, das mich tief berührte. Hier hatten Menschen mit viel Überlegung und handwerklichem Können etwas von Dauer und emotionalem Wert geschaffen. Es würde mich freuen, wenn man dies in vielen Jahrzehnten auch noch über meine Häuser sagt."