Le Bristol Paris – das legendäre Palasthotel an der Rue du Faubourg Saint-Honoré ist seit 1925 die ultimative Referenz für das Savoire Vivre der französischen Hauptstadt. Stars, der europäische Adel und Diplomat:innen gingen dort ein und aus, das noble Ambiente diente Kinofilmen als Kulisse. Noch heute ist es eine der ersten Adressen weltweit, verehrt als diskretes Juwel. THE FRANKFURTER-Creative Direktor und Paris-Fan Anna Quandt traf bei ihrem Besuch auch den heimlichen Hoteldirektor – Birmakater Socrates.
ROLE MODEL ADLON
Wer gern wie ich sehr früh aufsteht, sollte morgens um sieben ein paar Runden im Pool schwimmen und im Bademantel eingekuschelt auf der Dachterrasse den Sonnenaufgang über Sacré-Cœur beobachten, und danach einen – fantastischen – French Toast aufs Zimmer bestellen. Könnte man schöner dieser Stadt „Guten Morgen“ sagen? Das lichtdurchflutete Hallenbad auf dem Hoteldach ist übrigens das berühmteste von ganz Paris, wunderschön im Teakholz-Yacht-Design der 1920er-Jahre gestaltet. Das Redesign des Palasthotels, das zum Luxushotel-Portfolio der Oetker Collection gehört, hat auch am Pool Stil und Charme bewahrt. Doch nicht nur dort oben fällt es leicht, sich die Geschichte dieses prestigeträchtigen Hauses in Erinnerung zu rufen. Sie würde einen Roman füllen. Im Mittelpunkt: Hotelier Hippolyte Jammet, der das Le Bristol auf einem ehemaligen adligen Anwesen erbauen ließ und nach dem reisefreudigen britischen Lord, Kunstfreund und Exzentriker Frederick Hervey, 4. Earl of Bristol, benannte.
Das Berliner Adlon, in dem der junge Jammet an der Rezeption seinen Feinschliff erhalten hatte, diente ihm dabei als einzig gültiges Vorbild. Höhen und Tiefen prägten sein Leben. Im Schützengraben von Verdun überlebte er einen Gasangriff, was ihn zeitlebens prägen sollte. Das Hotel ersten Ranges florierte rasch und Jammet nahm einen Millionenkredit auf, um weitere acht Etagen zu bauen, die heute zum Hotelgarten hin gehen, der einst den Schwestern der Hoffnung als Kreuzgang ihres Klosters diente. Jammet war ein rastloser Innovator. So ließ er in allen Zimmern den „Mirophare“, seine eigene Erfindung, installieren – einen in alle Richtungen verstellbaren Spiegel mit integrierter Glühbirne – etwas, was heute in Luxusbadezimmern die Regel ist. Auch gab es 1930 bereits eine Klimaanlage, die mit Ammoniakgas funktionierte. Und crazy: Von 1935 (bis 1978!) gab es in allen Zimmern Klosettbrillen, die nach jedem Gast von einer Firma abgeschliffen und neu lackiert wurden!
Durch einen klugen Schachzug erreichte der Direktor, dass „sein“ Le Bristol das einzige Pariser Luxushotel blieb, das bei der Besetzung der Stadt von den Deutschen nicht beschlagnahmt wurde. Das Le Bristol wurde neutrale Zone, die Residenz aller Diplomaten. Versteckt in Zimmer 106 überlebte der jüdische Architekt des Hotels, Leo Lerman, die Schreckenszeit. Hunderte Hotelangestellte wussten um das Geheimnis – und schwiegen mutig.
SUITE DREAMS OF PARIS
Unzählige Prominente und Staatsoberhäupter beherbergte das Luxushotel seit seiner Eröffnung. Gäste, deren Namen die Welt kennt, schätzen auch heute die Diskretion und Zurückhaltung des Hauses. Gut 80 Prozent der Hotelgäste sind aus gutem Grund Stammgäste. In allen Zimmern und Suiten – bis zu 350 Quadratmeter groß – könnten die Wände so manche große und kleine Geschichte erzählen. Etwa „Suite 1925“ auf der obersten Etage, wo an die Tänzerin Josephine Baker erinnert wird. 1975 lud die charismatische Künstlerin, sie war Le Bristol-Stammgast, anlässlich ihres 50-jährigen Bühnenjubiläums hunderte Prominente ins Hotel ein. Im Redesign entstand hier als Hommage eine intime, beruhigende Apartment-Atmosphäre in Creme, Himmelblau, heller Eiche und Puderrosa. Seidenstoffe und Kaschmir sowie Palisander-Möbel in einem Mix aus Louis-XVI und zeitgenössischen Elementen nebst großen Porträtfotografien des Stars machen dieses Refugium mit Blick auf den Eiffelturm zu etwas ganz Besonderem. Drei neue Suiten stehen nach der Wiedereröffnung zur Verfügung. Sie verkörpern perfekt den Geist des Palastes: es sind großzügige Pieds-à-Terre, womit die Franzosen einen luxuriösen Zweitwohnsitz meinen, den man hat, um an den Wochenenden den Trubel der Großstadt zu genießen. Die Frankfurter Innenarchitektin Bergit Gräfin Douglas und ihr Kreativteam, verantwortlich für diesen Traum edler Gemütlichkeit, rundeten das Interieur mit Vorhängen des französischen High End-Labels Manuel Canovas und Kaschmirdecken von Loro Piana ab.
Ja, und dann gibt es dieses geheimnisvolle Zimmer, gleich links neben dem Haupteingang. Die Tür hat keine Nummer, aber eine Katzenklappe! Hier wohnt, so erfahre ich am Concierge-Tisch, Socrates, der amtierende Hotelkater. Wie schon sein pensionierter Vorgänger, Vater Fa-racon, hat der pelzige Philosoph Narrenfreiheit im Le Bristol. Der junge Birmakater (die sanftmütige Rasse wurde traditionell in Frankreich gezüchtet) läuft auf leisen Pfoten Patrouille oder genießt, wie ich später sehe, wie ein König ein Sonnenbad zwischen den Orangenbäumen des herrlichen Hotelgartens (mit 1.200 Quadratmeter ein parkähnliches Areal).
HAUTE GOURMET
Abends schaue ich, wie andere Tourist:innen, in der berühmten Hotelbar vorbei, auch sie unverkennbar der Stil des Le Bristol. Der klassische Clubby-Bereich bietet weiche Sofas und Sessel, einen Kamin und originelle Kunstwerke sowie eine Auswahl an Cocktails und Tapas von Meister Fréchon.
GRANDE MADAME LE BRISTOL
Kein Pariser Hotel bietet größere Suiten. Ein Palast ist nun mal ein Palast. Und ein solcher verdient: Blumen! Riesig sind die allgegenwärtigen Blumenbouquets, für die das Hotel mehrere Zehntausend Euro monatlich ausgibt. Ich selbst empfinde den Palast als eine Insel mitten in Paris – eine stilvolle Zeitreise und modernes Saivore Vivre. Hier wird Luxus auf französische Art definiert, überall sind höchst romantische Zutaten verfügbar, ob die private Suite-Sonnenterrasse, die abends den Blick auf den glitzernden Eiffelturm präsentiert, oder der geschützte Innengarten mit Rosen, Magnolien und schattiger Terrassenbestuhlung. Familien sind hier willkommen, ein weiteres Plus. Es gibt ein betreutes Spielareal mit dem Namen „Les Amis d’Hippolyte“, gleich neben dem Wellness- und Sauna-bereich für die Erwachsenen, der über drei Stockwerke alle erdenklichen Treatments offeriert. Es gibt Angebote für Reiki, Meditation, erstklassige Kinesis-Trainingsmaschinen, einen Hamam und das russische Banja. Will man bei all diesen Annehmlichkeiten überhaupt noch die Stadt erkunden? Sagen wir mal so: Le Bristol ist Insel, sicherer Hafen und ein Quell der Erholung. Draußen wartet die laute Welt der Inspirationen – und der oft langen Fußmärsche. Zurück im Hotel empfängt die sanfte Grande Madame Le Bristol den müden Gast wie einen geliebten Freund und verwöhnt ihn als gehöre er schon immer zur Familie. Vielleicht schiebt gerade Socrates pflichtschuldig und allwissend Empfangsdienst in der Lobby. Ignoriert Sie dann der feine Herr im Pelzmantel, wie es nur Rassekatzen können, nehmen Sie es nicht persönlich. Stille Wasser sind tief.