FUTURE LIVING

Durch Corona erleben die eigenen vier Wände eine Renaissance und werden noch flexibler, hybrider, gesünder und nachhaltiger gestaltet. THE FRANKFURTER zeigt in diesem Special, wie wir in Zukunft wohnen und auch arbeiten werden - was sich im Übrigen mehr und mehr vermischt.

Das Penthouse in der Elbphilharmonie in Hamburg könnte die Wohnung von Padmé Amidalas sein, der Mutter von Luke Skywalker aus Star Wars. Für die organischen Formen ließ sich der Eigentümer von seinem Apartment in Nizza inspirieren. Entworfen haben es Brückner Architekten in Zusammenarbeit mit der Innenarchitektin Irena Richter und den Digitalspezialisten Rendeffect.

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Durch den Shut-down haben wir mehr Zeit in den eigenen vier Wänden verbracht - und diese auch neu wertgeschätzt. Wir verstehen plötzlich, dass die Wohnung und das eigene Haus grundlegend erst einmal Sicherheit bedeuten. Und viele haben sich in der Zeit daran gemacht, diese noch "cozier" und stärker auf individuelle Bedürfnisse hin zu gestalten. Das spontan eingerichtete Heimbüro wird künftig nicht mehr zur Ausnahme, sondern zum Standard.

HOME SWEET HOME RELOADED

Kurzum: Die Corona-Pandemie krempelt unsere gewohnten Lebensräume dramatisch um. Das Zuhause - quasi schon von vielen nur als Durchgangsstation totgeredet - erlebt eine ungeahnte Renaissance und Frischkur. Und unsere bisherige, sehr traditionell orientierte Trennung zwischen Wohnen und Arbeiten steht auf dem Kopf. Mit Hochdruck arbeiten daher Forscher und Architekten sowie Immobilien- und Möbelspezialisten daran, neue Lösungen für die gebaute Umwelt zu finden.

THIRD PLACES

Gefragt sind neue, flexiblere Modelle, die sich adaptiv den vielfältigsten Situationen anpassen und sich schnell mit der digitalen Welt verbinden lassen. Und obwohl wir im Moment Restaurants, Parks oder Spielplätze nur eingeschränkt nutzen, spüren wir die große Sehnsucht danach, uns dort mit anderen Menschen zu treffen. Wenn wir die Gefahren durch COVID-19 gebannt haben, werden diese "Third Places" einen besonderen Zuspruch erleben. Nicht nur deshalb werden öffentliche Plätze eine immer wichtigere Rolle spielen und sollten deshalb gut gestaltet sein.

CHALLENGES AND CHANCES

Aber nicht nur das: Durch diese Krisen-Erfahrungen wollen wir noch gesünder leben, gleichzeitig soll alles nachhaltig sein. Bei vielen dieser Wünsche helfen Apps und andere Technologien. Manches lässt sich aber nur bewerkstelligen, indem man sein Verhalten ändert. Corona beschleunigt einige Entwicklungen - und daher hat diese Krise relativ schnell gezeigt, dass in ihr auch Chancen stecken. Wie wir in Zukunft wohnen (und auch arbeiten) werden, ob in Frankfurt/Rhein-Main oder anderswo - dies zeigen wir anhand der vier Trendwelten: Flexible Living, Smart Living, Healthy Living und Heritage Living.

FLEXIBLE LIVING

Adaptive, multifunktionale Wohnstrukturen und gemischtgenutzte Konzepte, in denen man auf die Community baut, vermischen Wohnen und Arbeit.

In Zukunft wird man verstärkt von Zuhause, vom Boot, vom Tiny House oder von sonst wo aus bequem arbeiten können. Die aktuelle Realität ist allerdings nicht ganz so rosig: Unser Zuhause ist meistens für die Heimarbeit noch nicht optimal ausgerichtet. Viele arbeiten am Küchentisch, nebendran spielen die Kinder. Alles vermischt sich - das ist anstrengend. Trotz immer kleiner werdenden Wohnflächen wird man aber künftig durch multifunktionale und flexible Grundrisse und Ausstattungen sein Zuhause gut nutzen können, so wie es Architekt Hans Drexler mit seinem Mini-Haus in Frankfurt-Sachsenhausen vormacht.

Gemeinschaftlich und gleichzeitig gemischtgenutzte Räume werden parallel dazu immer mehr Zuspruch erfahren. Dies bieten heute schon die neuen, vertikal organisierten Frankfurter Hochhäuser wie Four Frankfurt, One Forty West oder Marienturm, in denen sich Wohnungen wie Büros befinden sowie Co-Housing-Konzepte, wie sie das Netzwerk für gemeinschaftliches Wohnen in Rhein-Main fördern. Shared Spaces sind auch im öffentlichen Leben gefragt: Freiräume wie Flussufer, Parks, Straßenräume sollten noch stärker aufgewertet und verkehrsberuhigt werden, wenn das Leben durch die zunehmend kleinen Wohnungen sich auf die Straßen verlagert.

SMART LIVING

Neue Freunde mit künstlicher Intelligenz: Die digitalen Gadgets gestalten unser Zuhause noch gesünder und nachhaltiger.

Smart Home-Apps und künstliche Intelligenzen unterstützen uns bereits jetzt schon in unserem Alltag und machen Räume künftig noch gesünder und nachhaltiger. So kann die optimale Luftqualität eingestellt  werden, um Virenübertragung zu reduzieren. Darüber hinaus sammeln Häuser Sonnenenergie, sie filtern Luft oder sie speichern Daten über ihre Nutzer und deren Wünsche, oder über die eigene Bauweise. Dann kann man, wenn man sie wieder abbaut, alle eingesetzten Bauteile wieder in den Kreislauf zurückführen.

Bevor wir Häuser bauen, können wir sie schon digital dreidimensional erleben, und innerhalb dieser Räume können wir Wände verschieben oder den Bodenbelag in Sekundenschnelle ändern. Noch sind es materielle, analoge Häuser. Doch manch einer wagt schon zu träumen, wie es wäre, wenn wir uns nur noch in digitalen Welten aufhalten...Dann bräuchten wir kaum mehr realen Platz, der virtuelle Raum ist unendlich und wir könnten alle in Schlössern wohnen. Doch bis dahin dauert es noch eine Weile.

HEALTHY LIVING

Während Nachhaltigkeit fast schon zur Pflichtübung in puncto Wohnen und Bauen geworden ist, wird Wohngesundheit zum neuen bestimmenden Thema.

Holz gehört neben den nachhaltigen Aspekten zu den "wohngesunden" Materialien, die frei von Giftstoffen sind. Hierbei wird darauf geachtet, welche flüchtigen Stoffe die verbauten Materialien ausdünsten, auf Farben, die besonders wenig Konservierungsmittel oder Bodenbeläge, die keine krebserregenden Weichmacher enthalten. Daneben gibt es Materialien, die die Gesundheit sogar fördern, wie beispielsweise Kork, der Schadstoffe aus der Luft binden kann.

Der Mix aus nachhaltigen Materialien und energieeffizienter Bauweise wie auch Energietechnik sind gut für Mensch und Umwelt - das ist mittlerweile fast jedem klar. Als Alternative zu Beton wird Holz aktuell als Baumaterial wiederentdeckt. Nicht nur in Oslo und Dornbirn, auch hierzulande entstehen Holzhochhäuser wie in Heilbronn. Man kann sich auch Teppichboden aus recycelten Plastikflaschen verlegen lassen oder eine Wärmepumpe einbauen, die den Heizbedarf um 30 bis 50 Prozent reduziert. Das Aktiv-Stadthaus von HHS Architekten im Frankfurter Gallus-Viertel gilt hierzu als Pionier.

HERITAGE LIVING

Ob natürliche, regionale Materialien oder Altbauten, die nun umgenutzt werden: Beide vereint, dass sie eine Geschichte haben.

In einer zunehmend flüchtigen, digitalen Welt wollen wir uns stärker mit unseren Ursprüngen und der Natur verbinden. Kein Wunder, dass echte, natürliche Materialien so hoch im Kurs stehen. Die Raffinesse macht hier den Unterschied: etwa ein Teppich aus Kaschmirziegenhaar oder Tapeten aus Heublumen. Und das neue Haus kann man aus Lehm bauen, wie es der Schweizer Martin Rauch in Darmstadt mit dem neuen Alnatura Campus vormacht. Diese Tradition wird mit neuen Methoden kombiniert, sodass man sich in einem solchen Haus dank Erdwärme gar die Heizung sparen kann.

Daneben ist es die Wiederverwendung von Material und Bestand. Dies erzählt nicht nur eine Geschichte, sondern schont auch die Ressourcen und schützt das Klima. "Urban Mining" und "Reuse" sind Konzepte der Kreislaufwirtschaft, die durch die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, aber auch durch den EU Green Deal gefördert und zunehmen verpflichtend werden. Fürs Wohnen bedeutet das: Viele Ausstattungen werden aus recycelten Materialien gemacht. Immer öfter werden alte Häuser revitalisiert. In Frankfurt etwa werden ehemalige Bürohochhäuser am Kaiserlei zu anspruchsvollen Boardingwohnungen umfunktioniert.