FRANKFURT IS FASHION

Frankfurt wagt Mode! Auch wenn die Premiere der Fashion Week wegen der Covid-19-Situation rein digital stattfindet, tritt sie mit vielen spannenden Impulsen an, um zu einem Taktgeber der Mode- und Textilbranche zu werden. Wie viel Sinneskunst in der Mode anklingt, zeigt das exklusive THE FRANKFURTER-Shooting im Museum Angewandte Kunst, hier begleitet von einem Messe-Kommentar der Modeexpertin Alessandra Frank.

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„Frankfurt is Fashion!“ Das ist nicht unbedingt der erste Satz, der einem in den Sinn kommt, wenn man unsere Stadt beschreiben will. Bei Frankfurt denkt man viel eher an Banken und internationale Firmen, an den Dreh- und Angelpunkt des europäischen Flugverkehrs, an Hochhäuser und Grüne Sauce. Wir denken an so manches, aber bestimmt nicht an ein Zentrum der internationalen Mode. Und doch wird die Fashion Week nicht mehr im trendigen Berlin, sondern in diesem Jahr erstmals in der Mainmetropole organisiert. Wie die meisten Events und alle bedeutenden Fashion Weeks der letzten 18 Monate wird die erste Frankfurter Ausgabe vom 5. bis 9. Juli nur digital stattfinden können. Dabei will die Fashion Week mehr sein als eine Messe – in der ganzen Stadt sollten Events stattfinden, auf der Zeil war ein Runway geplant, Museen, Musik- und Kunstinstitutionen sowie Frankfurts Einzelhandel freuten sich, mit Veranstaltungen und Aktionen dabei sein. Doch obwohl immer mehr Menschen geimpft werden und ein Ende der Pandemie in Sicht scheint, mussten die Veranstalter die Notbremse ziehen: zu groß wäre das finanzielle Risiko gewesen, eine physische Fashion Week zu planen und in letzter Minute absagen zu müssen. Aber jammern hilft nicht weiter, im Juli wird eben erstmal digital durchgestartet.
Outfit by:
The Ataelier t-shirt
Loewe skirt
Vintage Givenchy high heels
Tsatsas shoulder bag
Frankfurt - mehr als Banken und Grüne Sauce!
Die beiden Organisatoren, die Messe Frankfurt und die Premium Group, haben zu diesem Zweck das FFW Studio entwickelt, eine digitale Plattform und der Kontaktpunkt für alle Textil- und Modeprofis. Auf unterschiedlichen Kanälen können Fashion People und Interessierte Live-Streams mit Gesprächen, Diskussionen, Konferenzen und Events verfolgen. Im Zentrum stehen für die Mode- und Textilindustrie wichtige Themen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung und technische Innovationen. Was das genau heißen und wie sich das anfühlen wird, müssen wir sehen. Für den Moment wollen wir zunächst der Frage nachgehen, wie es eigentlich dazu kam, dass die europaweit größte Modefachmesse mit mehr als 1.000 Marken von Berlin nach Frankfurt umziehen konnte. Der Versuch einer Rekonstruktion:
Ausstellung: "Aus heutiger Sicht. Diskurse über die Zukunft"
(bis 29. August 2021) im Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main
Ausstellungsgrafik: Jonas Deuter, Anna Sukhova

BERLIN FASHION WEEK – A THING OF THE PAST?

In den vergangenen Jahren mehrten sich die kritischen Stimmen zum Standort Berlin. Immer mehr Designerinnen und Designer zeigten ihre Kollektionen statt an der Spree in Modestädten wie Kopenhagen oder Paris. Auch sind die Klagen darüber, dass die Fashion Week nicht international genug sei und nur von nationalem Interesse, nie wirklich verstummt. Dazu kam, dass sich die Berlin Fashion Week terminlich oft mit den ebenfalls im Juli stattfindenden Haute Couture-Schauen in Paris überschnitt. So orientierten sich viele gar nicht erst nach Berlin, sondern fuhren gleich nach Paris. In der deutschen Hauptstadt sollen zwar künftig nach wie vor viele der Modenschauen stattfinden, doch diese sind wirtschaftlich unwesentlich und allein für die Designerinnen und Designer selber, für Moderedaktionen und Einkäufer relevant. Man kann letztlich nur vermuten, dass Frankfurt attraktivere Konditionen und die Aussicht geboten hat, der Modemesse am hessischen Drehkreuz in die Welt eine Neuerfindung zu ermöglichen.

Es ist die Hoffnung der Organisatoren und der Stadt Frankfurt, die Finanzmetropole auch zu einem neuen Zentrum der internationalen Modeszene werden zu lassen und dadurch nicht zuletzt neue finanzielle Möglichkeiten zu eröffnen.

Photo 1:

Iris Klaver dress

Location: Lichtbrücke im Museum Angewandte Kunst

 

Photo 2:

On the left: Vintage Richard Quinn coat and Vintage Givenchy high heels

On the right: Charlotte Strindberg coat and Y/Project boots

Location: Lichtbrücke im Museum Angewandte Kunst

 

Photo 3:

ellesse jacket, Samuel Gärtner skirt and Dr. Martens shoes

Location: Ausstellungsgrafik von Jonas Deuter und Anna Sukhova in "Aus heutiger Sicht" im Museum Angewandte Kunst

 

FASHION IS ALSO POLITICS

Die aktive Förderung der Modebranche ist in Frankfurt nicht ganz neu. Schon vor Jahren wurden auf Anregung von Stadtrat Markus Frank Wirtschaftsförderprogramme wie etwa Street-Ausstellungen, Straßenfeste und Late-Night-Shopping im Brückenviertel organisiert. 2015 wurde sogar versucht, ein „Frankfurt Fashion-Festival Projekt“ auf die Beine zu stellen – doch obwohl die Idee auf viel Begeisterung stieß und auch viele Partner gewonnen werden konnten, wurde sie unter anderem wegen fehlender Mittel nicht umgesetzt. Möglicherweise war Frankfurt damals einfach noch nicht bereit für eine größere, der Mode gewidmeten Veranstaltung. Ob der Plan jetzt gelingt, Frankfurt auf die wichtige Mode-Landkarte zu setzen, bleibt abzuwarten – erst recht, wenn, wie Stadtrat Markus Frank erklärte, die Modemesse nicht zuletzt nach Frankfurt geholt wurde, „um damit dem Wirtschafts- und Tourismusstandort in diesen Zeiten sozusagen eine schnell wirkende Konjunkturspritze zu verabreichen“. Nach Interesse an Mode klingt das eher weniger. Es ist ja nichts daran auszusetzen, wenn Politiker die Wirtschaft der Stadt ankurbeln wollen, die Leidenschaft für Mode gründet jedoch am Ende auf der Lust und Leidenschaft, seine Persönlichkeit durch Kleider auszudrücken. So etwas aber lässt sich nicht erzwingen – und ob die Frankfurterinnen und Frankfurter wegen der Fashion Week plötzlich anfangen, modischer zu denken und sich zu kleiden, bleibt zu bezweifeln.
Outfit by:
Charlotte Strindberg bodysuit and coat

HAUTE COUTURE MADE IN HESSEN

Frankfurt scheint im Vergleich mit Paris modisches Brachland, bevölkert von Menschen in dunkelblauen Anzügen oder zerrissenen Skinny Jeans und wettertüchtigen Funktionsjacken. Aber war unsere Stadt denn schon immer so von der Mode, von Style und Chic, abgewandt? Werfen wir einen Blick zurück.

Alle Kleider waren von raffinierter Einfachheit, zum Teil aus schwerer reiner Seide, Duchesse, changierendem Taft, Lamé, Brokat.
Damit beschrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung 1950 nicht etwa große Pariser Modemacher wie Christian Dior oder Coco Chanel, sondern eine der Modenschauen von Toni Schiesser. 1906 geboren, brachte sich die Frankfurterin autodidaktisch das Schneidern bei und führte ihr Atelier zu einem der erfolgreichsten Haute Couture-Unternehmen Deutschlands. Während der 1960er- und 1970er-Jahre arbeiteten über hundert Angestellte für die Modemacherin. Zwar gehörte sie nie zur Avantgarde der internationalen Schneiderkunst und ließ sich von führenden Pariser Couturiers „inspirieren“, um ihren finanzkräftigen Kundinnen in Deutschland tragbare und massenkompatible Modelle zu nähen, doch für ihre konservative Kundschaft, die nicht speziell an avantgardistischer oder exzentrischer Mode interessiert schien, waren ihre Kreationen genau richtig.

Mitte der 1970er-Jahre war Schiessers Modehaus das größte in Deutschland und verzeichnete den höchsten Umsatz aller hiesigen Designer. 1998, vier Jahre nach dem Tod der Gründerin, wurde die Firma und damit ein wichtiges Kapitel der Frankfurter Modegeschichte geschlossen. 2013 endete wiederum die Ära des „Frankfurter Modekreises“, dem sich seit seiner Gründung 1985 durch die modeaffine Journalistin Jutta Thomasius nach und nach alle namhaften Frankfurter Courtiers angeschlossen hatten, darunter auch Vertreter der jungen Generation um Elvira Kirsch, Nina Hollein und Cem Abaci. Höhepunkt war eine jährliche Modenschau.

Die Mode ist kurzlebiger geworden als früher und allgemeine Schauen zu teuer, und jeder will eine eigene Schau für sich Jutta Thomasius

FRANKFURT YOUNGSTERS

Noch immer wird in Frankfurt attraktive Mode kreiert. Ein Name, der international mitmischt: die Corporate Fashion-Designerin Simone Plitzko, die weltweit Luxushotels und Kreuzfahrtschiffe mit Arbeitskleidung ausstattet. Zu den erfolgreichen Youngsters gehört der 22-jährige Samuel Gärtner, der 2018 mit seiner ersten Kollektion auf sich aufmerksam machte. Seine Designs sind so entworfen, dass man sie an jeden Körpertyp anpassen kann: „Kleidung sollte nicht zum Verstecken genutzt werden, sondern dabei helfen, sich zu präsentieren.“ Für ihn hat Frankfurt keinen einheitlichen Stil – hier treffen kühle Banker auf junge Hipster. Aber: „Die Stadt ist auf jeden Fall Fashion! Sie hat sich nur noch nicht ganz gefunden – durch die Fashion Week wird sie ihre Kreativität hoffentlich weiter entwickeln können.“ Sonja Zawer-Akerdem gründete 2016 ihr erstes Label „Soniush“ und entwirft heute unter der Marke „The Ataelier“ Oberteile und T-Shirts. Für sie ist Fashion ein Gefühl, das durch unser Umfeld beeinflusst wird – und in Frankfurt ist dies das Zusammenspiel aus Wolkenkratzern und historischen Gebäuden. Beide Designer haben eines gemeinsam: sie wollen explizit in dieser Stadt arbeiten und schätzen an Frankfurt das Aufeinandertreffen unterschiedlichster Stile, Kulturen und Traditionen. Auch für Sevinc Yerli, Gründerin des Labels „Chili Bang Bang“ und Organisatorin der „Frankfurt Fashion Lounge“, bietet die Mainstadt mit ihren 178 Nationalitäten und ihrer Kultur, Vielfalt, Architektur und Wirtschaft keine bessere Basis für Fashion. Wie man sieht, existiert der Wille zu Fashion in Frankfurt also durchaus – und trotzdem sieht das modische Stadtbild in der Regel relativ trist aus. Die Uniformität ist allgegenwärtig, es fehlt die Individualität – es scheint, als wolle niemand anders sein oder auffallen.

Frankfurt ist auf jeden Fall Fashion!

Photo 1:

Lili Maras dress, Canada Goose vest, Dr. Martens shoes, Vintage Chanel clutch, secondhand-aschenputtel.de

Location: "In your hands" von Beatrice Bianchini in der Ausstellung "Aus heutiger Sicht" im Museum Angewandte Kunst

 

Photo 2:

On the left: Charlotte Strindberg bodysuit and coat and Samuel Gärtner vest

On the right: Charlotte Strindberg bodysuit and coat

Location: Ausstellungsgrafik von Jonas Deuter und Anna Sukhova in "Aus heutiger Sicht" im Museum Angewandte Kunst

 

Photo 3:

Charlotte Strindberg bodysuit and coat

 

IF YOU LIKE IT, WEAR IT!

Fashion hat oft auch mit unserem Mut zu tun, uns als starke und durchaus verletzliche Wesen zu zeigen. Natürlich möchte man gut aussehen, doch der Gang in die Stadt, das Stöbern in den Stores und das Ausprobieren von etwas Neuem ist dann vielleicht doch zu anstrengend oder verunsichernd. Die Befürchtung, was andere denken könnten, verurteilt zu werden, Blicke auf sich zu ziehen, macht zusätzlich ein selbstbewusstes modisches Auftreten unmöglich. Wie wäre es da, beim nächsten Mal vor dem Kleiderschrank, zu dem Teil zu greifen, das wir immer schon tragen wollten, aber nie ganz den Anlass oder den Mut dazu gefunden haben? Und wenn wir eine Frau oder einen Mann auf der Straße sehen und begeistert sind davon, was diese Person trägt: Warum nicht unsere Begeisterung mitteilen? Mode lebt im Kern davon, gesehen zu werden. Und wer weiß, vielleicht ist die Frankfurt Fashion Week, ob digital oder nächstes Jahr (geplant Januar 2022) dann hoffentlich auch physisch, der Motivationsschub, den unsere neue Modestadt noch braucht!

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Outfit by:
Iris Klaver dress
Ausstellung:
"Speicherplatz" von Suska Bastian, Valeria Castaño Moreno in der Ausstellung "Aus heutiger Sicht" im Museum Angewandte Kunst

Thank you!

Art Direction: Anna Quandt, the-frankfurter.com

Photographer: Knut Wörner, knutwoerner.com

Location: Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main, museumangewandtekunst.de

Styling: Alessandra Frank, fashiondot.de

Model: Vivienne Jonas & Marina Lukoschat, a-management.de

Hair & Makeup: Adrienne Kremer, adriennekremer.com

Cover Look: Charlotte Strindberg Body, charlottestrindberg.com und Samuel Gärtner Vest, shopsamsstuff.com