RESTAURANT 360°, LIMBURG

In Limburg an der Lahn nehmen Küchenchef Alexander Hohlwein und Restaurantleiterin und Sommelière Rebekka Weickert ihre Gäste mit auf eine verblüffende und begeistern-de kulinarische Reise um die Welt. Die THE FRANKFURTER-Autoren Volkan Brandl und Dirk Eisel gingen auf große Fahrt.

Lange Jahre war das beschauliche hessische Städtchen Limburg an der Lahn mit seinen gut 35.000 Einwohner:innen in erster Linie für seine malerische Altstadt und den darüber auf einem Kalkfelsen thronenden, weithin sichtbaren Georgsdom bekannt, und nicht etwa als gastronomische Pilgerstätte. Dies änderte sich schlagartig im März 2016, als Küchenchef und Inhaber Alexander Hohlwein und seine Partnerin, Restaurantleiterin und Sommelière Rebekka Weickert, ihr „Restaurant 360°“ eröffneten.

PERFECT OPPORTUNITY

Eigentlich stand für die beiden, die damals noch keine 30 Jahre alt waren, der Gang in die Selbständigkeit noch nicht auf dem Lebensplan. "Dass es mit dem 360° geklappt hat, war ein 100-prozentiger Zufall", erinnert sich Rebekka Weickert. Alexander Hohlwein stammt zwar aus der Domstadt, hatte aber schon seit Jahren nicht mehr dort gelebt, und eigentlich suchten die beiden nach mehreren gemeinsamen Stationen in der Spitzengastronomie nach einer Anstellung als Küchenchef beziehungsweise Restaurantleiterin. Als sie jedoch der Eigentümer der damals noch im Rohbau befindlichen Location des jetzigen 360° zu einem Besichtigungstermin einlud, waren Alexander Hohlwein und Rebekka Weickert überzeugt, dass die Zeit für ihr eigenes Restaurant gekommen war. Und auch wenn sie vor der Aufgabe großen Respekt hatten, gingen sie das Projekt mit viel Energie und Positivität an: "Ich war überzeugt, dass das funktionieren wird. Qualität setzt sich durch, wenn du handwerklich gut kochst und es mit Herzlichkeit im Service rüberbringst", blickt Alexander Hohlwein auf seine damalige Gemütslage zurück.

Der Erfolg sollte dem Paar recht geben. Bereits nach wenigen Monaten erhielt das 360° seinen ersten Stern im Guide Michelin, der allererste überhaupt für ein Restaurant im gesamten Landkreis, seither gefolgt von zahlreichen weiteren Auszeichnungen und begeisterten Kritiken in der Fachpresse. Und auch das Publikum aus Limburg und Umgebung nahm die neue erste Adresse mit offenen Armen auf.

DINING ABOVE THE ROOFTOPS

Das 360° befindet sich im obersten Stockwerk der "WERKStadt", einem modernen Einkaufszentrum direkt am Limburger Bahnhof, das auf den denkmalgeschützten Überresten eines ehemaligen Ausbesserungswerks der Deutschen Bundesbahn errichtet wurde. Die hohen Fenster tauchen den großzügigen Gastraum in helles Licht und bieten einen fast umlaufenden Blick über die Dächer der Stadt. Im Sommer lädt die wunderschön gestaltete Dachterrasse, auf der auch Kräuter für die Küche angebaut und Bienen in einem Bienenstock gehalten werden, mit einem loungeartigen Sitzbereich zum Verweilen ein.

Doch nicht nur die räumlichen Gegebenheiten schlagen einen Bogen zum Namen des Restaurants: "Mir ging es darum, ein Gesamtkonzept zu schaffen und 360 Grad nicht nur mit dem Ausblick umzusetzen, sondern auch auf den Teller zu bringen", betont Hohlwein.

PICTURES OF FLAVOR

Er nennt sein Degustationsmenü "Weltreise" und man könnte diese begeisternde Abfolge an Aromen und Texturen, basierend auf der klassischen französischen Küche und inspiriert von Produkten, Gewürzen und Gerichten aus aller Welt, nicht treffender beschreiben.

Schon unmittelbar nach der Ankunft und nachdem die Gäste – wie auf einem Flug in der First Class – feuchte Handtücher zur Reinigung der Hände und Erfrischung gereicht bekommen haben, werden auf zahlreichen kleinen Tellern Amuse-Gueules serviert, die sprichwörtlich zeigen, wohin die Reise geht: Kreationen wie Karotte, Minze und Koriander, Crostini mit Gänseleber, Spicy Mango und Erdnuss sowie eine Mini- Tarte mit Makrele, Ziegenkäse und Roter Bete sind ebenso kunstvoll wie köstlich.

Ich bin ein großer Fan von Vollgasküche: Aromenbilder zu schaffen und auszureizen. Auch einmal bis an die Grenze zu gehen, ohne die Balance zu verlieren und jedem Gericht die Chance zu geben, sich vollständig zu entfalten. Alexander Hohlwein, Restaurant 360°

Nachdem er sein beeindruckendes Handwerk bei Spitzenköchen wie Christoph Rainer und Kevin Fehling erlernen und verfeinern konnte, hat Hohlwein längst seine ganz persönliche Handschrift gefunden und entwickelt mit seinem Team und unbändiger Kreativität das, was er als "Aromenbilder" bezeichnet. Ausgangspunkt ist dabei immer eine Neugier auf Produkte und insbesondere Gewürze: "Beispiels weise frisches Curryblatt: Wie schmeckt das? Wie kann man das verarbeiten? Lass mal bestellen und probieren." Heraus kommen dabei dann verblüffende Kreationen wie ein Wolfsbarsch mit geröstetem Kohl, Datteln und Chat Masala sowie eine unglaubliche Sauce, die auf einer klassischen Austern Beurre Blanc basiert, dann aber mit zerkleinerter Minze, Koriander, Koriandersamen und schwarzem Senf ("weil dieser mehr Tiefe bringt") in eine andere Dimension katapultiert wird.

PERFECT TRAVEL GUIDE

Dass inzwischen Gäste aus ganz Deutschland gezielt den Weg nach Limburg finden, um im 360° zu speisen, liegt neben den einzigartigen Gerichten zu einem erheblichen Teil auch an Rebekka Weickert, die eine herausragende Gastgeberin ist und mit großer Freude, Freundlichkeit und Expertise zusammen mit einem jungen, engagierten Serviceteam die Gäste auf der Reise durch Alexander Hohlweins kulinarische Welten begleitet. Als Sommelière findet sie zudem für jeden Gast den perfekten Wein für jedes Gericht, ob glas- oder flaschenweise, und hat ebenfalls genau zu den einzelnen Kreationen passende alkoholfreie Alternativen parat.

BUDDHA’S BIRTHDAY

So verzaubern Alexander Hohlwein und Rebekka Weickert mit ihrem jungen Team im Laufe des Menüs Teller für Teller und Glas für Glas, um zum Ende der Reise – quasi im Landeanflug – noch einmal richtig aufzudrehen. Wie schon zu Beginn des Menüs schickt die Küche vor dem eigentlichen Dessert eine Reihe kleiner Süßspeisen: Köstlichkeiten wie ein Miniatur-Eisbecher mit Ingwer, Litschi und Ananas, kleine Madeleines aus brauner Butter und Miso sowie ein Kalamansi-Schaumkuss wären in so manch anderem Restaurant bereits der Star des Abends, bereiten hier aber lediglich auf den eigentlichen Abschluss des Menüs vor.

Bei seinen Desserts zeigt der Küchenchef noch einmal all den Ideenreichtum, die Kreativität und Produktbezogenheit, die ihn auszeichnen: ob er Honig und Bienenwachs aus der eigenen Imkerei auf der Dachterrasse zusammen mit Aprikose, Ziegenkäse und Fichtensprossen in das Dessert "Bee Happy" verwandelt oder aus der ebenfalls selbst auf der Dachterrasse angebauten Zitruspflanze „Buddhas Hand“, Ama Cha Tee und Zwerglimette eine Hommage an Buddhas Geburtstag ("Hana Matsuri") kreiert, nebst einer fröhlichen Buddha-Figur in der Mitte des Tellers.

Wenn dann ganz zum Schluss der Reise ein Globus im Vintage-Stil an den Tisch gebracht wird, in dessen Innerem sich hausgemachte Pralinen mit alles andere als alltäglichen Geschmacksrichtungen wie Erdbeere und Waldmeister, Orange und Tee, Himbeere und Rose sowie Fleur de Sel befinden und auf den letzten Tellern des Abends serviert werden, möchte man am liebsten sofort die nächste Tour durch die Aromenwelt des Restaurants buchen. Mit anderen Worten: Das Restaurant 360° selbst ist jede Reise wert. Mit dem Auto oder Zug ist es nur eine gute Stunde Fahrzeit von Frankfurt.