DESIGN CAPITAL COPENHAGEN

Aus Kopenhagen kommen aktuell starke Impulse für Architektur, Mode und Design. Am besten kann man diesen Mix in den Restaurants und Hotels der Stadt am Øresund erleben - wie unsere Autorin Martina Metzner in ihrem Reisebericht beschreibt.

Als Grund dafür, dass in Dänemark die glücklichsten Menschen der Welt leben sollen, wird häufig angegeben, dass sich hier Mensch und Natur im Einklang miteinander befinden, dass Demokratie und verantwortungsvolles Miteinander großgeschrieben werden, dass Bildungssystem und Gleichberechtigung funktionieren. Nun kommen in den vergangenen Jahren auch noch die wichtigsten Impulse aus dem kleinen skandinavischen Land, wenn es um zeitgenössische Architektur, Design und Stadtentwicklung geht - wie zuletzt in den 1950er und 1960er Jahren, dem "goldenen Zeitalter" des dänischen Designs mit Pionieren wie Arne Jacobsen, Finn Juhl und Børge Mogensen. Man fragt sich: Wie machen die Dänen das bloß? Was ist ihr gestalterisches Geheimrezept?

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HIP CITY, HIP PEOPLE

Wer nach Kopenhagen reist, kann sehen, spüren riechen, schmecken, wie das geht mit dem guten urbanen Leben. Hier ist alles hip: die Möbel, die Mode, die Menschen, Häuser, Restaurants, Speisen, selbst der Salzstreuer und die Türklinke. Fashion Influencerinnen wie Tine Kjare und Pernille Teisbaek stehen für einen elektrischen Mix, der Glamour über Slow Fashion, Craft Beer und hippe Trekkingsandalen neu definiert. Sie tragen Mode von By Malene Birger, Stine Goya, Day Birger et Mikkelsen. Coole Männer tragen Henrik Vibskov. Und das alles ohne schlechtes Gewissen: Die meisten Modelabels sind internationale Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit. Nicht umsonst ist Kopenhagen neben Berlin die Wiege des Hipsters - der Vertreter einer Generation, die wie keine andere einen alternativen Lifestyle in westlichen Großstädten weltweit praktiziert.

Im skandinavischen Design geht es um Langlebigkeit. Die Objekte sind wie Familienmitglieder, die an Emotionen knüpfen und die von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden. Signe Bindslev Henriksen und Peter Bundgaard Rützou

ESSENTIAL LIVING

Architekten kommen reihenweise zu Exkursionen nach Kopenhagen. Ihr Ziel ist das neue Wohnviertel Ørestad. Hier hat Bjarke Ingels (THE FRANKFURTER portraitierte ihn in Ausgabe 02/19) seine Karriere in den 00er Jahren begründet, mit bis dato ungewöhnlichen Wohngebäuden, die sich über einen starken Gemeinschaftsaspekt definieren. Wenn man in Kopenhagen am Nyhavn lang spaziert, wird man außerdem seinen CopenHill in der Ferne erblicken können: eine Skipiste, die er auf einer Müllverbrennungsanlage installiert hat. Sein Credo: Nachhaltigkeit soll Spaß machen!

Besonders stark und allgegenwärtig zeichnet sich der Copenhagen-Hype im Design ab: Keiner wird in den vergangenen Jahren den Hygge- oder Scandi-Trend verpasst haven. So mancher wird sich sogar mit einem Schafsfell oder pastellfarbenen Vasen ausgestattet haben. Die hellen Farben der nordischen Küsten spielen hier genauso hinein wie naturbelassenes Weichholz und ein schlichter Gestaltungsanspruch, den manche als "demokratisch" deklarieren. Gut beobachten lässt sich dies bei Stylistinnen wie Lotta Agaton und Pella Hedeby oder beim Designerkollektiv Frama, deren Atelier sich in einer alten Apotheke von 1878 befindet - unbedingt einen Besuch wert.

PLACES TO BE

In den Bars, Restaurants und Hotels von Kopenhagen kommen alle gestalterischen Zweige zu einer "holistic design experience" zusammen. Seit gut einem Jahrzehnt rangiert die Nordic Cuisine, angeführt vom Restaurant Noma und mittlerweile etlichen Ablegern in der Stadt, auf Nummer eins der Ranglisten weltweit. Menschen aus aller Welt reisen allein für dieses Geschmackserlebnis nach Kopenhagen, um endlich nach einjähriger Reservierungswartezeit die naturbelassenen und oft eigenwilligen Kreationen mit Zutaten der nordischen Küsten zu genießen.

Was zu diesem internationalen Erfolg der Gastroszene Kopenhagens führt, ist aber auch das von namhaften Gestaltern bis ins kleinste Detail definierte Interior Design: Von den Kellnern in puristischer Kleidung, die keinen Schmuck erlaubt, bis zum Tischgedeck, an dem Designer schon einmal ein gutes Jahr tüfteln. Und beim ersten Bissen wird man es verstanden haben: Hier geht es um nichts weniger als um die Essenz der Dinge.