MASSIVE COLLECTIVE

Mit dem Massif Central materialisiert Florian Jöckel mit seinem Team das, was er jahrelang als Konzertmanager und seit jüngstem als Radrennsport-Kommunikationsmanager rund um den Globus umsetzt: Menschen an einem Creative Space zusammenbringen und eine einzigartige Atmosphäre schaffen. Unser Style-Experte Chris Lehr machte den Check.

Aus Florian Jöckel sprudelt es nur so heraus und ich will ihn gar nicht bremsen, denn das, was er erzählt, wirkt wie ein Power-Drink - vitalisierend. Der Mann mit vollem Bart, expressiver Brille und Tattoos steht mitten im Bike-Café des Massif Central, um ihn herum wird gewerkelt, gearbeitet, gekocht. So recht mag ich es ihm da gar nicht glauben, wenn er sagt: "Ich bin der Mann in der zweiten Reihe." Wahrscheinlich sagt er es deshalb, weil er vor allem ein Teamplayer ist, wie sich im Laufe unseres Treffens herausstellt.

DIVERSE MIX OF PEOPLE

Seit Januar ist das Massif Central an der Eschersheimer Landstraße 28 eine Adresse, wo sich die unterschiedlichsten Szenen treffen: Business-People, Schöne und Reiche, Künstler und Kreative sowie Zyklisten, wie Florian, der französische Wurzeln hat, passionierte Radfahrer nennt. Ein Creative Space auf insgesamt fünf Etagen eines ehemaligen Bürogebäudes aus den 1920er-Jahren, das zuvor viele Jahre als Pelzlager und später als Druckerei diente und das Ende 2022 abgerissen werden soll. Ein Klassiker, die Zwischennutzung durch Kreative. Aber im Massif Central geht noch ein bisschen mehr. Inzwischen sind alle Räume vermietet. Die Mischung ist bunt: Tipico Deutschland hat sich hier eingerichtet, ebenso wie der Fußball-Influencer Basti Red, das Studio Anti-Tattoo, acht Brands um Studio Sesay, der Sportfotograf Isaac Papadopoulos, die Modeagentur AMTRAQ, die Künstlerin Kristina Suvorova und nicht zuletzt die Warsteiner Brauerei, die das Massif Central neben Red Bull und La Marzocco großzügig mitsponsert. Im Erdgeschoss gibt es eine Kombination aus Bike-Service, Café und Wein-Tasting-Space. "Alles hat sich ergeben", so Florian Jöckel.

Der Name ist inspiriert vom französischen Zentralmassiv, einem der "Stadien des Radrennsports", eine weitere Leidenschaft von Florian. Kaum ein wichtiges Rennen lässt er sich entgehen und fabriziert vor Ort mit Freunden unter dem Synonym "Guilty76 Street Guerilla" Street-Artworks. 2010 hat er den Radrennsportclub Guilty76 gegründet. Unter anderem, weil er selbst anfing, Rennrad zu fahren und die Trikots uncool fand. Mittlerweile sind rund 400 Rennradfahrer weltweit im Club organisiert, darunter auch Profis wie John Degenkolb und Simon Geschke, in den man nur durch Empfehlung zweier Bürgen kommt - so wie bei den Motorcycle-Clubs. Durch Guilty76 gibt es nun auch im Radrennsport "Rock 'n' roll".

UPCYCLING AND CONTRASTS

Wir wollen einen Ort schaffen, den es in Frankfurt so noch nicht gibt. Florian Jöckel
Dass das Massif Central nur temporär ist, macht Florian und seinen Mitstreitern Jule Parulewski und Sven Seipp nichts aus, denn sie sind vor allem am Hier und Jetzt interessiert, lieben die Veränderung. In der obersten Etage soll es noch einen Kitchen Club geben - dort wird Küchenchef Dimi exklusive Dinners anbieten. Den Rosé, den Florian und ich zusammen trinken, ist schon einmal ein kleiner Vorgeschmack, französisch und wohltemperiert. Dieser Lifestyle im Kontrast zum abgerockten Ambiente macht diesen Ort für mich faszinierend. So haben sie die Wandfliesen einfach drangelassen und die Wände farbig gestrichen. Das alte Büro-Mobiliar der Druckerei versprüht den Charme vergangener Zeiten. Am deutlichsten wird dieser Off Space- und Upcycling-Gedanke an der Front des Gebäudes, die der israelische Mural-Künstler Presh bemalt hat und die zum von Tab e.V. gegründeten Open-Air Museum Frankfurt gehört. Im Hof, auf und vor der Laderampe, ist abends auch der Treffpunkt für Aperitivo und mehr.

LIFE IS CHANGE

Die Massif Central-Macher - wozu auch Florians Freundin Michaela Kessler von der Grafikagentur Desres gehört; sie hat übrigens das Kommunikationsdesign des neuen Romantik Museums gestaltet - könnten eigentlich ein wenig Oberwasser haben, so sehr wie das Ding durch die Decke geht. Aber sie bleiben auf dem Boden. Die Idee zu dem Creative Space, der, wie ich finde, so auch in Brooklyn oder Berlin sein könnte, hatten sie während der Corona-Zeit. "Es gabt nichts zu tun", keine Konzerte, keine Events. Florian hätte sich auf seinen Erfolgen der Jahre zuvor als Konzertmanager, unter anderem von Carsten Nicolai, Señor Coconut, Ryuichi Sakamoto und DJ Shantel, ausruhen können. Doch die düstere Stimmung am Anfang weckte ihn und seine Freunde auf. So veranstalteten sie eine Aktion zur Unterstützung der Frankfurter Gastronomen und brachten die Sharity-Modekollektion "Frankfurt bleibt stabil" heraus. Dann wurde ihnen die Immobilie zur temporären Nutzung angeboten und innerhalb weniger Stunden schlugen sie zu. Eigentlich ein Wahnsinn. "Als Konzertmanager ist immer Corona - man ist ständig im Krisenmanager-Modus", sagt Florian und zieht Augenbrauen und Schultern hoch: "Man muss sich adaptieren."
Als Konzertmanager ist immer Corona – man ist ständig im Krisenmanager-Modus. Florian Jöckel