THE JUNGLE KING

Thomas Dürr ist Plantagenbesitzer und verkauft Second-Hand-Streetwear. Und als wäre diese Kombination nicht schon ungewöhnlich genug, ist er auch Gastgeber für Filmproduktionen und Events. Unser Style-Experte Chris machte den Check in dessen Vintage-Shop und traf gleich neben der Bar auf Pink Floyd.

NO FAST FASHION

Es fühlt sich an wie Ostern und Weihnachten zusammen, wenn Thomas Dürr in einem frisch angelieferten Berg von Second-Hand-Streetwear aus Europa und Übersee wieder eine limitierte Levi's-Jeans oder ein seltenes Band-Tour-T-Shirt entdeckt. Thomas Dürr hat den Spürsinn für das, was die Fans von textilen Klassikern suchen und wofür diese bereit sind, gute Preise zu zahlen. Es sind Stücke mit Patina, Ecken und Kanten, die man nicht nachkaufen kann und im Wert eher steigen.

Da ihn keiner der Second-Hand-Shops im Rhein-Main-Gebiet wirklich anzog, hat der Kelsterbacher einfach selbst einen eröffnet. Platz dafür gab es in seinem Unternehmen genug, in der Nähe des Flughafens betreibt er die Eventhalle "Since 1977", in der ein gutes Drittel jetzt der Shop einnimmt. Dass seine Freunde den 43-jährigen "Haute Coudürr" nennen, hat auch mit seinem Daily Business zu tun - mit seinem 30-köpfigen Team stattet er namenhafte Bälle, Filmsets, die Lufthansa-Lounges, kunterbunte Boho-Hochzeiten und in ganz Europa prominente Sport-Events mit Show- und Miet-Floristik aus. Dafür besitzt er riesige Pflanzenplantagen und Gewächshäuser, dort, wo sein Großvater 1949 mit einer kleinen Gärtnerei anfing. "Immer bodenständig handeln!", gab der tatkräftige Opa als Credo vor.

FAMILY BUSINESS

Genauso lebt der Enkel: "Ich bin fest verwurzelt. Doch ich kann nicht still halten, ich muss immer etwas machen, weiterkommen, meine Ideen umsetzen." Vor zwanzig Jahren übernahm der gelernte Hotelkaufmann das Ruder und erweiterte das Geschäft um einen Mietservice. Sein Vater ist bis heute für die Gärtnerei zuständig. Der Durchbruch kam als Thomas Dürr die Formel 1-DTM- Betreuung an Land zog: "Die Begrünung von Hospitality-Arealen war damals ein wachsendes Segment, wie generell sich das Thema Grün in Lobbys und bei Events durchsetzen begann, ob, ‚Dschungel‘ oder puristische Arrangements." An die 25.000 Miet-Pflanzen, gekauft in Florenz, die auf den Plantagen einlagern, kann Thomas Dürr von Kelsterbach aus auf den Weg schicken.

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Grün ist für mich Berufung und Style. Thomas Dürr
Der Style des Shops erinnert mich eher an Berlin als an Frankfurt, ein Mix aus Modern Industrial, Oldschool und Vintage - gleichzeitig hat man hinter dem Rolltor sofort das Gefühl, in einer coolen Off-Location zu sein, wo abends noch ein Unplugged-Konzert oder ein Nachtflohmarkt stattfindet. Mir gefällt, dass die Klamotten gut geordnet und gepflegt hängen und so leicht nach bestimmten Labels und Farben durchsucht werden können. Jede neue Lieferung sei ein Überraschungspaket, erzählt Thomas Dürr freudestrahlend wie ein Kind vor der Bescherung an der Bar, die zum Shop gehört. Seine Scouts suchen für ihn weltweit nach heißer und vor allem rarer Ware. Sie klappern schon mal Trödelmarkte ab und sortieren Fakes aus, wenn etwa Neuware als Vintage-Schätzchen ausgegeben wird.

Ich vertiefe mich in diesen Street-Mix der 70er- bis 90er-Jahre, darunter viele Jeans und Jacken von Levi's, Sporttaschen von Adidas, Pink Floyd-T-Shirts und kultige Air Jordan-Accessoires. Hier Sammlerstücke zu finden, steigert mein Jagdfieber noch. Ergänzt hat Thomas Dürr diese Auswahl mit lässigen Hoodies und T-Shirts seines eigenen Labels "Lütt und Ludwig" - norddeutsch für Enkel, und als Marke eine Hommage an seinen Gärtner-Großvater Ludwig. Für seine Linien lässt er in fair produzierter Bio-Baumwolle und recyceltem Polyester produzieren, bedruckt mit veganen Farben. In den Lockdowns lief der Shop komplett über Instagram. "Second-Hand-Mode ist die nachhaltigste Alternative zur Fast Fashion. Und auch das Verspinnen von Kunststoff zu neuen Polyesterfasern schont die Umwelt", so Thomas Dürr, der auf mehreren Ebenen nachhaltig denkt und fest daran glaubt, dass ein grüner Daumen erblich ist.

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