CINEMA MOODBOARD

In einem ehemaligen Kino im Frankfurter Stadtteil Eckenheim lebt Regisseur und Fotograf Mayk Azzato das, was ihn begeistert: die Liebe zum Film. Aus dem Zuschauerraum wurde ein originelles und ästhetisches Wohn-Atelier. THE FRANKFURTER auf Hausbesuch bei einem Enthusiasten.

Heimatfilmkitsch, Sandalenfilme und zuletzt Winnetou. Auch wenn das kleine Kino „Regina Lichtspiele“ an der Eckenheimer Landstraße 439 schon seit bald 50 Jahren nicht mehr existiert, verströmt der ehemalige Kinosaal noch etwas von der Atmosphäre vergangener Filmtage. Ein Glücksfall, dass ausgerechnet ein Kino-Enthusiast wie Mayk Azzato die einmalige, aber über die Zeit vernachlässigte Immobilie in einem Hinterhof entdeckte und ihr neues Leben einhauchte. Als Regisseur und Fotograf ist Mayk Azzato mit vielen VIPs und Hollywood-Größen auf Du und Du – etliche waren schon bei ihm in Eckenheim zu Gast. Beeindruckt seien die Stars, erzählt er: „Selbst wer in Kalifornien in einer Millionenvilla lebt, findet ein umgebautes Filmtheater absolut spannend“.

LOVE AT FIRST SIGHT

Mayk Azzato und seine Frau Francesca fanden einen Lagerschuppen mit Schrott und Ölfässern vor, als sie sich 2009 in die Immobilie verliebten. Von Anfang an war klar, hier wartet verdammt viel Arbeit. Das 1938 fertiggestellte Gebäude im Stil einer bäuerlichen Scheune, im Saal Platz für eine sechs Meter hohe Leinwand, verlangte ihnen dann auch ein ganzes Jahr „viele Nerven“ ab. In einem gewaltigen Umbau erfanden sie das Gebäude mit eigenen Ideen neu, ließen ihm aber mit baulichen Zitaten und Erinnerungen ein Stück seiner Historie. Noch heute steigt man über einen eigenen Zugang im Hof eine enge, steile Treppe zum ehe-maligen Projektionsraum hinauf, an den sich im Dachstuhl nun ein moderner Loft anschließt.

In Eckenheim gibt es viele tolle Perlen. Mayk Azzato

HOT AIR

Eigentlich war es eine Ruine, auch gab es keine Fenster im alten Kinosaal“, erinnert sich Mayk Azzato. Allein 14 Container Bauschutt mussten fortgeschafft werden. An die 3.000 Meter Kabel verlegten die Handwerker neu und auch der Fußboden im Zuschauerraum wurde begradigt. Außen erhielt das 27 Meter lange und 8,5 Meter breite Gebäude eine Natursteinfassade und eine großzügige Terrassenfläche. Die 110-KW-Industrie-Luftheizung konnte aus dem Altbau übernommen werden, die heiße Luft strömt aus Gitterschächten in den Wänden. Wo die Luftwirbel nicht hingelangen, etwa in den neuen Bädern, wurde eine Fußbodenheizung installiert.

VINTAGE TREASURES

Nach einem kleinen Foyer, die ehemalige Kinokasse, öffnet sich der riesige Hauptraum, den Mayk Azzato gern für seine Fashion- und Promi-Shootings und Meetings nutzt. Eine breite Küchenzeile, Sitzecken mit kuscheligen Kissen und die Leidenschaft des Hausherrn für Designklassiker, Vintage-Schätzchen und kiloschwere Coffee-Table-Fotobände machen den „Saal“ stylisch und gemütlich. Hohe, weiß lackierte Trennelemente – de facto die alten Türen eines „Tanzsaals“ von 1938 in der Nachbarschaft, die eigentlich zum Sperrmüll sollten – strukturieren den Raum geschickt. Nach oben setzt eine neue Balustrade die Strukturierung fort. Die Sammelleidenschaft zieht sich als roter Fa-den, oder besser, wie ein Filmstreifen durchs Haus: Requisiten, alte Überseekoffer, Filmklappen, Kameras aus Babelsberg und der legendären römischen Filmstadt Cinecittà, um nur einiges in diesem außergewöhnlichen Kosmos zu nennen.

KEVIN COSTNER SAT THERE

„In diesem Sessel saß Kevin Costner“, zeigt Mayk Azzato. Im Loft, vor dem brennenden Kamin und einem reich geschnitzten 1930er-Jahre Sideboard aus Marrakesch – Andenken an eine Foto-Produktion dort – steht der mächtige Leder-Metall-Ohrensessel aus einer bekannten Designschmiede, den man durch den prominenten Platzhalter automatisch ein wenig ehrfürchtiger anschaut. Wir plaudern über Azzatos Shooting mit dem Weltstar in Santa Barbara. „Toller Typ“, schwärmt der Frankfurter. In-zwischen sind sie Buddies und treffen sich, wann immer es geht. Toni Garrn, Lang Lang, David Garrett, Brigitte Nielsen und viele mehr, die Liste seiner Protagonisten für Arthouse- Filme und Werbekampagnen ist lang. Beachtlich ist auch die Anzahl seiner Filmpreise, mehr als 50 sind es inzwischen. Einige der goldglänzenden Award-Statuetten stehen in der Küche. Viel Hochrangiges darunter. Dennoch: „Ein Oscar wäre die Krönung“, träumt der Künstler.

PALM TREES & SUPERMAN

Rückblende. Frankfurt, 1978. Ein Kiefernholz-Jugendzimmer, Sonnenuntergang-Palmen-Fototapete und „Rocky“-Kinoplakate. Teenager Mayk fiebert dem „Superman“-Blockbuster im „Royal“ in der Schäfergasse entgegen. Sein Vater ist Fotograf und gibt ihm das „Auge“ mit. Die Kameras des Vaters wird er später - nach dessen Tod - wie einen Schatz hüten. Blutjung lernt er Francesca kennen, das Mädchen ist 15. Die beiden werden ein Paar und sind es bis heute, die gemeinsame Tochter ist inzwischen fast erwachsen. „Francy“, wie er seine Frau nennt, ist wie ihr Mann ein kreatives Multitalent, doch lässt sie ihm das Rampenlicht.

WORLDWIDE INSPIRATION

„Wir sind es gewohnt, Sets zu bauen. So fiel uns auch die Planung von ‚Cinema 439‘, wie wir das Wohn-Atelier nennen, nicht schwer. Mayk Azzato erwies sich beim Umbau außerdem als Ideengeber für Architekten und ein Fensterbau-Unternehmen. „Ich hasse die üblichen Sockelleisten. Also bin ich in den Metall-Großhandel und fand diese schmalen Alu-Profile. Architekten, die das bei mir sahen, waren so begeistert, dass sie solche Profile statt Leisten auch für ihre Projekte einplanten. Die Fenster im Loft wollte ich lackiert. Die gab es so aber nicht. Der Hersteller machte für uns eine Sonderanfertigung – und ging damit später in Serienproduktion.“ Woher die Inspirationen? „Wir sind ja weltweit für Jobs unterwegs und sehen oft sehr krasse Luxushäuser. Ob in Kalifornien, St. Moritz oder in Asien. Was man dort für sich schön findet, nimmt man als Inspiration und Idee mit. Wir lieben den internationalen und zeitlosen Mix beim Einrichten.“

CALM PEARL

Noch ist diese „Cinema“-Wohn- und Arbeitswelt nicht ganz vollendet. Francesca Azzato möchte eine Loggia mit Aussicht auf den Taunus; ein Durchbruch vom Loft aus würde dies ermöglichen. Die Ruhe im Herzen Eckenheims und die gute verkehrstechnische Anbindung seien große Vorteile, betont das Paar: „Es gibt im Stadtteil viele tolle Perlen, auch Neubauten. Wir haben sehr lange danach gesucht.“ Manchmal holt die Azzatos die Kinovergangenheit ein. Dann klingeln Ältere an der Haustür, da sie lesen: Cinema 439. „Erst neulich wurden wir wieder gefragt, ob im ‚Regina‘ Filme laufen.“ Filme und Fotoproduktionen ja, aber ganz andere als Winnetou & Co.