Jack Lemmon fotografierte er mit Zitronen vor den Augen, Yoko Ono im Park. In mehr als fünf Jahrzehnten haben sich hunderte Stars von dem in Frankfurt geborenen US-amerikanischen Fotografen Abe Frajndlich becircen lassen. Seine meisterlichen Porträts sind zu Ikonen geworden.
Das Porträt ist die liebste Disziplin der Fotografie. Nirgendwo fühlt sich das fotografische Medium stärker als im Ablichten von Menschen. Doch nirgendwo lügt die Fotografie auch mehr als in der Porträtkunst. Und das schon lange vor der Erfindung digitaler Manipulationstechniken und KI. Dem in Frankfurt geborenen amerikanischen Fotografen Abraham „Abe“ Frajndlich geht es um Wahrheit oder Authentizität – um jenen Moment, den Henri Cartier-Bresson als „magisch“ beschrieben hat. „Der Zauber der Porträtfotografie“, sagt Frajndlich, „entfaltet sich in einem ganz bestimmten Augenblick und es gilt, genau diesen Augenblick festzuhalten. Diese geheimnisvollen Zusammenhänge sind es, die mich an der Porträtfotografie immer wieder faszinieren.“
CHILDHOOD OF THE SECOND GENERATION
Das Lebenswerk Frajndlichs war schon 1997 im Fotografie Forum Frankfurt zu sehen, dann 2003 im Jüdischen Museum – und gerade wieder im Fotografie Forum: Hier, in Frankfurt, wo Frajndlich unmittelbar nach der Shoah im Lager für jüdische Flüchtlinge aus Osteuropa am 28. Mai 1946 geboren wurde. In dem Lager in Zeilsheim warteten nach dem Krieg zeitweise bis zu 5.000 befreite Juden und Jüdinnen darauf, eine neue Heimat zu finden – unter ihnen Abraham, der bis zum Alter von zwei Jahren im Zeilsheimer Lager blieb.
Auch danach lebte Frajndlich die unruhige Kindheit der „Second Generation“: Seine Familie wanderte nach Israel und später nach Porto Allègre in Brasilien aus. Nach dem Tod der Eltern kam Frajndlich nach Cleveland in Ohio. Nach Polnisch, Deutsch, Jiddisch, Hebräisch, Französisch und Portugiesisch wurde Englisch die siebte Sprache, in der Frajndlich sprechen lernte.
NEW YORK – FRANKFURT
Nach Studien der Literatur schloss er sein Anglistik-Studium in Evanston ab. Bald sorgte der Besuch eines Seminars bei dem berühmten Fotografen Minor White für eine Wende in seinem Leben. Drei Jahre arbeitete Frajndlich als Schüler von White, der sein Mentor wurde. Die Beziehung zu White hat Frajndlich in einem Band mit Porträtaufnahmen in Bilder gegossen: „Lives I’ve Never Lived“.
Frajndlich beginnt mit der Serie „Masters Of Light“, einer Porträtserie über Fotografen. Aber auch Autoren, Künstlerinnen, Architekten und Musikerinnen ließen sich von Frajndlich fotografieren. Seit 1984 lebt er in New York. Doch der Kontakt zu Frankfurt sollte nicht abreißen. Vor allem für das Magazin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hat Frajndlich immer wieder fotografiert. Und für die großen anderen, für die „New York Times“, „Life“, „London Sunday Times“, „Observer“ oder „Paris Match“. Heute sind seine Arbeiten in vielen renommierten Sammlungen vertreten.
LEM(M)ONS
Frajndlich liebt den Witz, dessen Hintersinn sich erst beim zweiten Hinschauen offenbart. Wie etwa bei dem berühmten Porträt Jack Lemmons, der sich zwei Zitronen wie ein Fernglas vor die Augen hält. Die Zitronen soll Frajndlich zum Fototermin mitgenommen haben, worauf Lemmon antwortete, dass er seit 55 Jahren fotografiert werde, doch noch nie hätte jemand Zitronen mitgebracht.
Ob Kunsthändler Leo Castelli vor einer gemalten Zielscheibe von Jasper Johns, Fotograf Alfred Eisenstaedt, der zwei alte Abzüge wie einen Gebetsschal präsentiert, Jazzmusiker Art Blakey, Dennis Hopper mit lässiger Sonnenbrille, Yoko Ono vor einem Porträt John Lennons oder Regisseur Robert Altman: Frajndlichs Fotografien haben einen deutlichen Hang zur Inszenierung – Requisiten und Hintergründe, kleine Details erweitern die Bildaussage und erklären das Leben und Tun der Gezeigten. „Ich fand Fiktionen schon immer spannender als Realitäten. Doch es gibt auch Momente im Alltag, die sehr geheimnisvoll sein können. Für mich ist die Fotografie die Kraft der Imagination und der Information“, sagt Frajndlich.
Die von Celina Lunsford und Esra Klein kuratierte, sehr erfolgreiche Ausstellung „Chameleon“, die bis vor kurzem zu sehen war, ist der Beitrag des Fotografie Forums zum 175. Jubiläum der Paulskirche und präsentierte Bilder aus allen Schaffensjahren sowie Fotos aus seinem Buch „Eros Eterna“.