100 Jahre Bauhaus und dessen quasi gelebte Form, das Neue Frankfurt. Das Thema, das in diesem Jahr weltweit die Diskurse in Kunst, Design und Architektur dominiert, hat in unserer Redaktion zu einigen Kontroversen geführt: Mit der nötigen Ernsthaftigkeit und dem Fokus auf dem durch Ernst May umgesetzten Frankfurter Siedlungsbauprogramm der 20er Jahre will es unsere Autorin und Designexpertin Martina Metzner dargestellt wissen.
Auf die Spitze treiben, Grenzen überschreiten, provokant und alles andere als orthodox sein wollte hingegen unser Kreativ-Team bei der Inszenierung der Bilder. Das Ergebnis: ein fundierter, spannender und kurzweiliger Beitrag über das Neue Frankfurt als kulturhistorisches Erbe der Moderne, begleitet von einer Bildstrecke, die Raum für Authentisches im Zusammenspiel mit Designklassikern späterer Epochen, Mode und einer gehörigen Portion moderner Leichtigkeit lässt.
Wenn das Bauhaus die Akademie der Moderne war, so war das Neue Frankfurt ihre Werkstatt.
Am Bauhaus und im Neuen Frankfurt teilte man die gleiche Idee: schnell und kostengünstig, aber dennoch qualitätsvolle Häuser und Einrichtungsobjekte für möglichst viele Menschen schaffen. Ihr gemeinsames Fundament war der lebensreformerische Geist, der in den zwanziger Jahren in ganz Europa erblühte. Man wollte mit einem universalen Gestaltungsanspruch nichts weniger als einen „neuen Menschen“ formen. So sollte den Bewohnern „Licht, Luft, Sonne“ zuteilwerden – durch Terrassen, Balkone, Dach- sowie Hausgärten bis hin zu Grünanlagen. Im Inneren wurde das „neue Wohnen“ durch industriell und seriell hergestellte Möbel aus neuen Materialien wie Stahlrohr bestimmt. Sie etablierten das moderne Design und sollten viele Gestalter der nachfolgenden Generationen inspirieren.
Die Frankfurter Küche
Wenn ich gewusst hätte, dass alle immer nur davon reden, hätte ich diese verdammte Küche nie gebaut! Architektin Margarete Schütte-Lihotzky
Die Wohnungen des Neuen Frankfurt waren mit den aktuellsten elektrischen Entwicklungen ausgestattet: Heißwasserboiler, elektrisches Licht, Elektroherd, teilweise Zentralheizung sowie ein Radioanschluss. Außerdem bot jede Einheit ein eigenes Bad mit Sitzbadewanne. Etwas gewöhnungsbedürftig für damalige Verhältnisse war allerdings der sachliche Charakter der Architektur mit den radikalen Flachdächern – ein absolutes Diktum der Moderne. Auch im Inneren galt „form follows function“ mit schnörkellosen Einbaumöbeln und der rational gestalteten Frankfurter Küche. Der Frankfurter Stuhl und die Kaiser Idell Leuchten sind Klassiker aus dieser Zeit, die bis heute Bestand haben.
„Das Neue Frankfurt ist dem Bauhaus in Dessau, Weimar und Berlin und der Weißenhofsiedlung in Stuttgart ebenbürtig“, sagt Konrad Elsaesser, Großneffe von Martin Elsaesser. Daher gilt es, die Moderne vor der eigenen Haustüre neu zu entdecken! Eine gute Anlaufstelle dafür ist das neu eingerichtete Forum Neues Frankfurt. Außerdem widmen sich gleich drei Museen dem Thema: Neben dem Deutsche Architekturmuseum und dem Historischen Museum zeigt das Museum Angewandte Kunst, dass die „Moderne am Main“ viel mehr war als nur Architektur und Design, sondern auch Film, Grafik und Musik hervorbrachte.