100 YEARS BRAUN

Vor 100 Jahren in Frankfurt gegründet, wurde Braun ab den 1950er-Jahren bekannt für seine Rasierer, Phono- und Küchengeräte, Filmkameras und Uhren in einem radikal-sachlichen Stil. Auch Apple hat sich an den Entwürfen von Dieter Rams, dem langjährigen Designchef der Firma, orientiert. Das allein zeigt: Das Design der Marke ist Kult.

Unsere elektrischen Geräte sollen unaufdringliche, stille Helfer und Diener sein. Erwin Braun (1921-1992)
Es gibt ein paar Dinge, bei denen US-Amerikaner neidisch auf uns Deutsche werden - und zwar, wenn es um Luxusautos wie Mercedes oder BMW geht, um gutbürgerliche Küche mit Brot, Bier und Sauerkraut - und bei den Produkten der Marke Braun. Seit der Geburt des iPhones im Jahre 2007 ist bekannt, dass sich der damalige Apple-Chefdesigner Jonathan Ive von den Produkten des Elektrotechnikherstellers aus Kronberg hat inspirieren lassen - und zwar nicht nur für das iPhone, auch für den iPod und den iMac. Es ist die Spitze eines Kults um Braun-Produkte, der in den 1960er-Jahren begann und der heute nicht nur von Liebhabern im klassischen Sinne betrieben wird, sondern auch immer mehr von jungen designaffinen Menschen.
Braun hat Apple angeregt - ein Kompliment. Dieter Rams

1951

Nach dem Tod von Max Braun
übernehmen die Söhne Artur
und Erwin die Geschäfte.
Erwin baut zusammen mit dem
Kunsthistoriker Fritz Eichler ein
Netzwerk aus Künstlern,
Designern und Kreativen auf
- u.a. von der HfG Ulm.

1956

Die von Hans Gugelot und
Dieter Rams entworfene
Radio-Phono-Kombination
"Super Sk4" ist ein Pionier
für funktionales Design in
der Nachkriegszeit. Wegen seiner
Plexiglasabdeckung wird das
Gerät landläufig
"Schneewittchensarg" genannt.

1957

Die "KM32" (Design: Gerd Alfred Müller) verkauft sich 2,3 Millionen Mal.

1961

Dieter Rams übernimmt die
Leitung der Designabteilung
und prägt den "Braun Stil"
mit vielen Designklassikern
(im Bild mit Fritz Eichler).

1962

Topseller: Der "Sixtant" bricht
mit zehn Millionen verkauften
Geräten bis 1973 alle
Verkaufsrekorde.
Die Schwarz-Silber-Kombination
wird über Jahrzehnte zum
Standard für Radios,
Musikgeräte und Kameras.

1979

Geliebter Flop: Die Atelier-Serie von Braun war eine hochpreise Hi-Fi-Anlage im Baukastensystem - mit geringem Markterfolg, aber vielen Liebhabern. 1990 wird die Produktion eingestellt. Heute zahlen Sammler hohe Preise dafür.

Die sachlich gestalteten Rasierer, Phono- und Küchengeräte, Filmkameras und Uhren stehen par excellence für deutsches Design - ganz gemäß des von der Firma geprägten Mottos "Weniger, aber besser". Braun-Geräte finden sich in Designsammlungen rund um den Globus wie etwa im New Yorker Museum of Art. Dieter Rams, ehemaliger Chefdesigner von Braun, wohnhaft in Kronberg im Taunus und selbst mit 89 Jahren immer noch an allem interessiert, gilt als der unangefochtene Hero des internationalen Produktdesigns. Groß wurde Braun in den Nachkriegsjahren - kaum ein anderes Unternehmen prägte die deutsche Konsumgüterindustrie in dieser Zeit mehr als dieses.

Drehen wir die Uhr etwas zurück und schauen auf diese einzigartige Erfolgsstory und ihr Design-Geheimnis.

AHEAD OF THEIR TIME: ARTUR AND ERWIN BRAUN

Die Firma von Max Braun wurde 1921, also vor genau 100 Jahren, in Frankfurt am Main gegründet. Sie stellte das her, was viele andere auch machten: Radiogeräte, darunter die bekannten Volksempfänger des Dritten Reichs, damals unverzichtbar und das aktuellste Medium seiner Zeit. Etwas Besonderes waren die Boxen aus braun lasiertem Holz oder dem damals neuen Kunststoff Bakelit allerdings nicht.

Erst in den Nachkriegsjahren, als 1951 die beiden Söhne von Max Braun nach dessen frühen Tod die Firma übernahmen, schwang sich Braun zum Design-Olymp empor. Es war Erwin Braun, der extrovertierte Kosmopolit, der in den Wiederaufbaujahren nicht nur zurückschauen, sondern eine neue Phase einleiten wollte. Während andere sich nach den dunklen, schweren Wohninterieurs der 1920er Jahre zurücksehnten, kamen neue Strömungen aus den USA und Skandinavien, deren modernes, leichtes und unbeschwertes Design von Alltagsgegenständen wie Möbel, Mode bis hin zu Autos auch einherging mit einer Sehnsucht nach einer neuen Idee von Lebensgestaltung, die die düstere Vergangenheit hinter sich lassen sollte. Erwin Braun suchte Gleichgesinnte, und so engagierte er den Kunsthistoriker und Bühnengestalter Fritz Eichler, den er im Krieg kennengelernt hatte, und machte ihn verantwortlich für das äußere Erscheinungsbild der Firma und deren Produkte.

JOINED FORCES: BRAUN AND THE HFG ULM

Eichler brachte Braun in Kontakt zur damaligen Avantgarde der Architektur- und Gestalter Szene - neben Herbert Hirche und Wilhelm Wagenfeld fand man schnell eine gemeinsame Haltung in der nach dem Krieg etablierten Hochschule für Gestaltung in Ulm. Unter anderen gegründet von Inge Scholl, der älteren Schwester der Geschwister Scholl, wollte man dort an das von den Nazis aufgelöste Bauhaus anknüpfen und auf ähnliche Weise mit Hilfe von Gestaltung Mensch und Gesellschaft prägen. Wie das Bauhaus war auch Ulm sozialdemokratisch ausgerichtet und interessierte sich für die Verbesserung der Lebensbedingungen der breiten Masse. Es entspann sich fortan zwischen braun und der HfG Ulm bis zu ihrer Schließung im Jahre 1968 eine fruchtbare Zusammenarbeit, die mit Hans Gugelot, dem Leiter der Designabteilung anfing und viele weitere Ulmer, auch Otoo "Otl" Aicher, den Mitgründer der HfG, einband. Aus dieser Kooperation gingen eine Reihe Produktentwicklungen hervor, die technisch auf dem neuesten Stand - und vor allem auf das Wesentliche reduziert - waren.

1993

Dieter Rams formuliert die
"10 Thesen für gutes Design".

2021

Braun feiert 100-jähriges
Firmenjubiläum, u.a. mit einer
schwarzen "100 Years Limited Edition",
die auch die klassische
Zitruspresse von 1972 beinhaltet.

2021

Im Auftrag von Braun
verpasst US-Künstler,
Fashiondesigner
und Musiker/DJ Virgil Abloh
der Audio Wandanlage von
Dieter Rams (1961) seine Handschrift.
Ergebnis ist ein verchromtes Einzelstück.
"Die Designgeschichte der Marke Braun dient als Inspiration, muss aber in die heutige Zeit übersetzt und weiterentwickelt werden. Dafür haben wir den Ausdruck 'Past Forward - der Blick zurück und nach vorn' geprägt. Wir möchten weiterhin Produkte mit zeitloser Ästhetik entwickeln, die das Leben vereinfachen und eine lange Lebensdauer aufweisen. Oliver Grabes, Leiter der Braun Design-Abteilung

"MR. BRAUN" DIETER RAMS

Das Unternehmen wuchs in den 1950er- und 1960er-Jahren rasant, getrieben von den Erfolgen vor allem im Bereich der Rasierer, speziell in den USA. Man hatte international knapp 5.000 Mitarbeiter (zum Vergleich: heute sind es rund 3.800). Dabei ließ man sich nie abbringen von der am Schlichten orientierten Designhaltung, die auf den drei Pfeilern "einfach", "funktional" und "langlebig" gründete.

Parallel zur Zusammenarbeit mit unabhängigen Gestaltern baute man eine eigene Designabteilung auf und - ebenso ein Novum jener Zeit - gründete einen Braun-Preis (1968), mit dem man den Nachwuchs prämierte und auch rekrutierte. Dieter Rams, ein studierter Architekt aus Wiesbaden, wurde 1961 der Leiter der Designabteilung - und blieb es bis 1995. Dies sollte die zweite prägende Designphase werden, unter der vor allem die Hi-Fi-Geräte herausstachen - zur damaligen Zeit ein Must-have. Diese taugten aufgrund ihres Preises nicht für den Massenmarkt, polierten aber um so mehr das Renommee des Unternehmens auf. Dieter Rams - in den USA nur "Mr. Braun" genannt - verkörperte die Braun-Haltung wie kein Zweiter und formulierte die "10 Thesen für gutes Design" - ein Klassiker, an dem sich heute noch Design-Studierende orientieren.

GOOD DESIGN FOR THE NEXT 100 YEARS

1967 verkauften die Brüder Braun die Mehrheitsanteile ihrer Firma an den US-amerikanischen Konzern Gillette. 1991 wurde die Hi-Fi-Sparte eingestellt, da sie sich gegen die Konkurrenz aus Asien nicht mehr durchsetzen konnte. Seit 2005 gehört Braun zu dem US-amerikanischen Konsumgüter-Konzern Procter & Gamble. 2012 wurde die Küchengeräte in Lizenz an den italienischen Haushaltsgeräte-Konzern De'Longhi vergeben.

Mit Fokus auf das Kerngeschäft von Braun mit Rasierern und elektrischen Zahnbürsten leitet heute der gebürtige Mittelhesse Oliver Grabes die Designgeschicke von Braun, der mit seinem Team das Gestern mit dem Heute zu verbinden weiß. So kam 2014 eine Re-Edition der ikonischen Küchengeräte heraus, 2019 eine Wiederauflage der Lautsprecher. Zum Jubiläum hat man neben einer einer speziellen Produktrange in Schwarz auch den US-Künstler Virgil Abloh eingeladen, die absolute Stilikone des Unternehmens, die Audio Wandanlage von Dieter Rams, neu zu interpretieren. Dieses Kultgerät aus dem Jahr 1961, das an der Wand montiert wie ein Gemälde wirkt, glänzt nun in Chrom - so wie die "Grillz", die verchromten Zähne von Rappern.

Diente dem Apple iPod als Vorlage: Miniradio "T3" (Design: Dieter Rams, 1958).
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Jubiläumsschauen

BraunSammlung
(mit Dauerstellung)
Firmensitz Kronberg
www.foerderkreis-braunsammlung.de
"Braun 100"
Bröhan Museum, Berlin
Bis 29. August 2021
www.broehan-museum.de
"Dieter Rams. Ein Blick zurück und voraus"
Museum Angewandte Kunst,
Frankfurt
Bis 8. August 2021
www.museumangewandtekunst.de