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THE ENGLISH THEATRE

Welcome to the largest english-speaking theatre on the european continent! Das 1979 gegründete English Theatre ist eine Klasse für sich - Kulturstätte mit abwechslungsreichem Spielplan und ein Treffpunkt für die "international community" in Frankfurt. Sein schneller Puls produziert ein Niveau, wie man es vom Londoner West End kennt. Wir drückten Backstage die Daumen.

MISTER SHOW

Worst case. Eine Hauptdarstellerin fällt während der Vorstellung aus, muss ins Krankenhaus. In der Pause reagiert man schnell. Eine Kollegin eilt ins English Theatre und springt ein. The Show can go on. „Wir produzieren unsere Stücke in London. Über Wochen proben die Schauspieler dort. Direkt nach der Premiere in Frankfurt finden bei uns Proben sowie ein kompletter Durchlauf für die Umsetzungen statt“, erklärt Intendant Daniel Nicolai den doppelten Boden. Über fünfzehn Jahre führt der gebürtige Frankfurter die Theaterperle mit glücklicher Hand, er und sein Team konnten viele Förderer gewinnen. Rund 300 Vorstellungen im Jahr sind es – Musical, Drama, Comedy, anything goes. Wenn Daniel Nicolai spricht, begleiten ihn seine Hände mit geschmeidiger Geste. „Eigentlich komme ich aus dem zeitgenössischen Tanz“, erzählt er. Bei Produktionen der weltweit besten Ballett-Ensembles war er beteiligt, getanzt hat er selbst nie.

BUSY TIMES

90 Minuten bis zur Show. Warm-up. Den Körper dehnen, die Stimme auf Temperatur bringen. Gute Laune mischt sich mit Routine, Dutzende Aufführungen liegen bereits hinter den Darstellern aus London. Für jede Produktion wird ein Ensemble an der Themse neu gecastet. Die Kampfszene wie im Schlaf durchgehen denn im Musical "Jekyll & Hyde" erwacht das mörderisch Böse. "London ist seit jeher eine Theaterstadt mit Weltruf. 'The Industry', wie der dortige Theaterbetrieb genannt wird, bietet uns eine enorm hohe Qualität. Der Erfolg des English Theatre beruht auch auf den traditionsreichen Schauspielschulen Großbritanniens, wie etwa der 'Royal Academy of Dramatic Art', an der viele unserer Darsteller ausgebildet wurden", so Daniel Nicolai. Ebenso kommen die Regisseure und Choreografen aus britischen Talentschmieden. Das nächste Stück steht in den Startlöchern, im März rückt ein neues Ensemble aus London nach. "Beim Get-In, während wir die Bühne bauen, proben die frisch angekommenen Schauspieler morgens in unserer 'James Bar', abends gehen die Proben auf der Bühne weiter. Das sind hektische Tage. Es kommt vor, dass in dieser Zeit unsere Kernmannschaft von 30 Mitarbeitern auf über einhundert anwächst."

PLAY. DRINK. LOVE.

Keine Silvesterparty ohne "Auld Lang Syne", you know. Beim Singen der schottischen Ballade in der Theater-Bar glitzern schon mal Tränen in den Augen. "Wir stoßen mit den Gästen zweimal auf das neue Jahr an, deutsche Zeit und Big Ben-Time", freut sich Daniel Nicolai. Gerade dann, und über Monate fern von London, kann Heimweh aufkommen. Pubs in Frankfurt oder die australische "Kakadu"-Bar in der Kaiserstraße, wo die jungen Schauspieler nach der Vorstellung einkehren, lindern das Gefühl. "Die Schauspieler sollen sich bei uns wohlfühlen, dafür tun wir viel. Von Fans bekommen sie private Einladungen und lernen so deutsches Leben kennen. "It takes two: Amor, der über die Jahre größere und kleinere Rollen am English Theatre spielte, sorgte für manches echte Happy End, weiß der Haus-Chef: "Ehen und Freundschaften entstanden, so heiratete Johanna Burger, unsere deutsche Stage-Managerin in London, einen britischen Schauspieler."

Die Leute sollen sich zwischendurch schon aufregen. Alles andere wäre doch langweilig. Daniel Nicolai

A PLACE LIKE HOME

30 Minuten bis zur Show. Schauspielerin Samantha Dorsey prüft ihr Make-up. Alle schminken sich selbst. Eng die Garderoben, die Spie-gel-Stammplätze mit persönlichem Krimskrams, Soulfood, Halspastillen. Samantha sang im Londoner West End die „Cosette“ in „Les Misérables“, gleich wird sie als Braut dem angeschossenen „Dr. Jekyll“ ihre Liebe beteuern. Blut fließt aus Herz und Wunden – typisch Musical. In aller Frühe nach London fliegen, mittags vorsprechen für den nächsten Job, abends wieder in Frankfurt singen – typisch Freelancer.

Derweil strömen die Gäste herein, der 300-Plätze-Saal ist ausverkauft. Das Haus brummt, stehe „super ausgelastet“ da, so Daniel Nicolai, und relativiert: „Auch bei 100 Prozent Auslastung könnten wir uns nicht alleine tragen.“ Zuschüsse der öffentlichen Hand wie auch Sponsoren-Zuwendungen brauche das Theater zum Überleben. Selbst die Queen zeigte sich beeindruckt vom English Theatre, als sie Frankfurt besuchte und Daniel Nicolai mit ihr im Römer sprach. Später ließ die Queen Grüße zur „Strictly British“-Saison des Theaters ausrichten, eine große Geste des Palastes. Der Brexit-Entscheid sei ein Schock gewesen, sagt der Intendant, kaum ein Schauspieler habe dafür gestimmt. Jetzt mache man das Beste daraus: „Der Zustrom nach Frankfurt wird kommen, Banker und ihre Familien, vielleicht Tausende, und das über einen längeren Zeitraum. Wir erwarten dadurch noch mehr Publikum.“

A SPOON FULL OF BEEF

Das English Theatre ist eine Insel mit vielen Brücken. Das Haus öffnet sich für Partys, Lesungen und Schülerprogramme. Die Brücken führen weit übers Meer. Im kalifornischen Santa Barbara lief das Casting für ein Stück, das im Mai nach Frankfurt kommt - das Polit-Drama eines Pulitzer-Preisträgers: Börsenmakler Nick, von Terroristen entführt, versucht in Geiselhaft, sein Lösegeld durch wilde Spekulationen selbst zu verdienen. Das Stück mitten im Frankfurter Finanzzentrum aufzuführen, beweist Mut zum Beef. Ganz nach Plan des Intendanten: "Die Leute sollen sich zwischendurch schon aufregen. Alles andere wäre doch langweilig."